Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Voodoo Holmes Romane (German Edition)

Voodoo Holmes Romane (German Edition)

Titel: Voodoo Holmes Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Rieger
Vom Netzwerk:
Ta­ges­rei­se vom Schloss ent­fern­ten Chis­wick, durch das wir ge­ra­de fuh­ren, hat­te wohl einen Akt an­ge­legt, aber dar­in stand nur das Not­wen­digs­te.
     
    Am frühen Mor­gen des 21. März 1893 ge­gen 3:43 Uhr war ein Un­be­kann­ter über den Bal­kon ih­res Schlaf­zim­mers ein­ge­drun­gen und hat­te die Schla­fen­de mit der Klin­ge ei­nes Schwer­tes, ei­nes Bei­les oder ei­nes ver­gleich­ba­ren Ge­gen­stan­des er­mor­det. Da­nach ver­schwand er spur­los, das Haupt der Ent­haup­te­ten mit sich neh­mend. Man konn­te am Bett­la­ken und der Ma­trat­ze die läng­li­che Spur des Mord­in­stru­men­tes und Blut­flecken er­ken­nen. Die Bett­wä­sche war zer­wühlt. Auf dem Bo­den fand man Was­ser­spu­ren, was nicht wei­ter er­staun­lich war, denn es hat­te am Vor­abend ein Ge­wit­ter ge­ge­ben, und der Ein­dring­ling mußte über das Dach ge­kom­men sein, das vom Re­gen noch glit­schig war. Die Tür der Kam­mer war ver­schlos­sen, der Schlüs­sel steck­te in­nen. Da der Weg über das Dach nur mit Klet­ter­hil­fen und frem­de Hil­fe über­haupt denk­bar war, wur­de von Sei­ten der Chis­wicker Po­li­zei in der Kam­mer in­ten­siv nach vers­teck­ten Türen ge­sucht, wie auch nach Me­cha­nis­men, wie man die Ein­gangs­tür auch dann öff­nen könn­te, wenn der Schlüs­sel in­nen steck­te. Nach­dem man dar­an ge­schei­tert war, stell­te man das Ver­fah­ren ein mit ei­nem klei­nen Ver­merk auf dem letzten Blatt, der lau­te­te: „Nach An­sicht des Un­ter­zeich­ne­ten kann es nur einen ge­ben, der die­se Kons­tel­la­ti­on des Ta­tor­tes hers­tel­len konn­te: Lord Os­win Cum­ber­ton-Shoy­le, zum Bei­spiel, in­dem er vor Ein­tref­fen der Po­li­zei eine vor­her vor­han­de­ne Ge­heim­tür durch bau­li­che Maß­nah­men ent­fer­nen ließ. Al­ler­dings fan­den sich kei­ne in die­se Rich­tung wei­sen­den Spu­ren, wes­halb die Er­mitt­lun­gen zum ge­gen­wär­ti­gen Zeit­punkt ru­hen müs­sen.“
     
    Mit der hi­sto­ri­schen Se­rie, de­ren End­punkt die­ser Mord war, be­schäf­tig­te man sich gar nicht erst, ob­wohl die Ähn­lich­kei­ten frap­pant wa­ren. Man hielt die Fäl­le für ge­schicht­lich, und von da her für un­lös­bar. Au­ßer­dem war ja, wie schon er­wähnt, seit dem späten 18. Jahr­hun­dert kein wei­te­rer To­des­fall vor­ge­kom­men. Wenn es sich bei den Tätern je­weils um Cum­ber­ton-Shoy­les ge­han­delt hät­te, dann konn­te man die The­se ver­tre­ten, es sei über die Jahr­hun­der­te zu ei­ner So­zia­li­sie­rung ge­kom­men, nach der die männ­li­chen Mit­glie­der der Fa­mi­lie ihre Mord­ge­lüs­te kom­pen­siert und sub­li­miert hät­ten und ihre Ge­walt­ta­ten ganz auf die Ha­sen­jagd, der sie al­ler­dings hef­tig frön­ten, ver­legt hät­ten.
     
    Mei­ne ers­te Auf­ga­be war es dann, wie Hol­mes und ich während der Fahrt ab­ge­spro­chen hat­ten, nach un­se­rem Ein­tref­fen im Schloss in den vor­han­de­nen Un­ter­la­gen mög­lichst dis­kret zu über­prü­fen, ob es zwi­schen den To­des­fäl­len der Frau­en (denn durch­wegs han­del­te es sich bei den Ver­stor­be­nen um sol­che, während alle Wahn­sin­ni­gen der Fa­mi­lie Män­ner wa­ren) und ih­rer Kin­der­lo­sig­keit Zu­sam­men­hän­ge gebe – und tat­säch­lich war es so, daß alle Er­mor­de­ten es ver­ab­säumt hat­ten, ih­ren Ehe­gat­ten im Lau­fe der Jah­re Nach­kom­men zu schen­ken. Der rie­si­ge, ehr­wür­di­ge Stamm­baum der Cum­ber­ton-Shoy­les war über­haupt recht schmal, und un­ter je­dem Na­men ei­nes männ­li­chen Nach­kom­men fand sich ein Nest von früh ver­stor­be­nen Ehe­frau­en. Je län­ger man aber vor dem wuch­ti­gen Stamm­baum­ge­mäl­de stand, de­sto stär­ker spür­te man et­was Un­de­fi­nier­ba­res, Dunkles. Es dau­er­te eine Wei­le, bis ich be­griff, was es war: Die völ­li­ge Ab­we­sen­heit weib­li­cher Nach­kom­men. Es gab meist nur ein Kind in die­sen Ehen, einen, höchs­tens zwei Kna­ben, nie aber Mäd­chen. Al­les Weib­li­che, das auf Schloss Tyne leb­te (ade­lig, wohl­ge­merkt, denn es gab da kei­nen Man­gel an wohl­an­sehn­li­chen Dienst­mäd­chen) kam von aus­wärts. Das war ein Teil der Dun­kel­heit. Das Ori­gi­näre,

Weitere Kostenlose Bücher