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Voodoo Holmes Romane (German Edition)

Voodoo Holmes Romane (German Edition)

Titel: Voodoo Holmes Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Rieger
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Ty­pi­sche des Adels­sit­zes war eben­so un­zwei­fel­haft, ein dunkles, mäch­ti­ges Kalks­tein­ge­bäu­de, das an eine mit­tel­al­ter­li­che Raub­rit­ter­burg er­in­ner­te. Der Ein­druck, als die Kut­sche auf dem Kies des Vor­plat­zes aus­roll­te, konn­te nicht be­drücken­der Sein. Das Schloss war im Lau­fe der Jahr­hun­der­te von der Wit­te­rung ab­ge­dun­kelt, an man­chen Stel­len fast schwarz. Dazu pass­ten die Vö­gel. Ei­ner da­von hock­te, als wir aus der Kut­sche aus­s­tie­gen, we­nig mehr als zwei Me­ter von uns ent­fernt auf ei­ner ver­wa­sche­nen Säu­le, und starr­te uns un­ver­wandt an. Ich hat­te so ein Tier noch nie ge­se­hen. Für eine Möwe war es ein­deu­tig zu groß. Es wa­ren Vö­gel, aber sie hat­ten et­was von Raub­kat­zen, denn sie schie­nen kein Ge­fie­der zu ha­ben, son­dern eher ein Fell. Als Hol­mes, dem nichts Re­spekt ein­zu­ja­gen schi­en, ein­fach laut „Buh!“ rief und in die Hän­de klatsch­te, flat­ter­te der Vo­gel zwar schwer­fäl­lig in die Höhe, doch dann schritt er da­von, als kön­ne er gar nicht flie­gen, eher wie ein Pfau oder ein Trut­hahn. Ich kann die Be­klom­men­heit nicht er­klären, die mich be­fiel, als ich auf die Fassa­de des Schlos­ses hoch­blick­te und dort oben drei wei­te­re die­ser Vö­gel sah. „Wie nennt man die Vie­cher ei­gent­lich?“ frag­te ich den Kut­scher, der vor mir Auf­s­tel­lung ge­nom­men hat­te. Er zuck­te mit den Ach­seln und fuhr da­mit fort, un­ser Ge­päck ab­zuschnal­len. Lord Cum­ber­ton-Shoy­le, des­sen Kut­sche schnel­ler ge­fah­ren war, kam nun die Schlosstrep­pe her­ab, ge­folgt von ei­ni­gen Dienst­bo­ten, und wir wur­den dann in un­se­re Ge­mächer ge­führt, um et­was aus­zu­ru­hen.
     
    Vor dem Din­ner blieb noch et­was Zeit, und ich ging in die Bi­blio­thek, ein Raum, in dem ich mich so­fort wohl­fühl­te. Sie lag im obers­ten Ge­schoss des Schlos­ses und über­blick­te durch die Schei­ben ei­nes rie­si­gen Win­ter­gar­tens das Meer in ei­ner Frei­zü­gig­keit, die sonst noch nir­gend­wo er­lebt habe. Ich fand einen noch re­la­tiv frisch aus­se­hen­den Fo­li­an­ten, in dem der Fall Li­di­jas be­schrie­ben war, de­ren Stim­me ich in der Se­an­ce in Lon­don ge­hört zu ha­ben glaub­te. Die ers­te Ehe Os­wins war kin­der­los ver­lau­fen, und sei­ne Ge­mah­lin Li­di­ja, aus eng­li­schem Hau­se, las ich nun, war un­ter un­kla­ren Um­stän­den ver­stor­ben auf ei­ner See­rei­se, als ihr Kör­per von ei­ner un­er­war­te­ten Woge über Bord ge­spült wor­den sei – während ei­ner Damp­fer­fahrt im Pack­eis, un­ter der Mit­ter­nachts­son­ne. So die of­fi­zi­el­le Ver­si­on, die auch den Zei­tun­gen über­ge­ben wor­den war. Da­nach er­fuhr ich nun von ei­nem Schrei­ber, der im Diens­te des Lords stand, daß es auch eine in­of­fi­zi­el­le Ver­si­on gab. Tat­säch­lich aber näm­lich, wie sei­ne Lord­schaft während der Fahrt schon er­wähn­te, hat­te auch Li­di­ja das Schick­sal der Her­rin­nen auf Tyne er­eilt: Man fand ih­ren Leib leb­los mit feh­len­dem Kopfe.
    „ Glau­ben Sie den gan­zen Quatsch denn über­haupt?“ Ich fuhr von mei­nem Sitz hoch. Un­ser Gast­ge­ber hat­te die Bi­blio­thek be­tre­ten. An sei­ner Sei­te er­kann­te ich Hol­mes.
    „ Mir fällt es schwer, all das“ – sei­ne Hand­be­we­gung mein­te den gan­zen Raum – „für bare Mün­ze zu neh­men. Ich bit­te Sie: Wie ver­rückt ist die Ge­schich­te denn. Ein Fluch. Tat­sa­che ist, daß mei­ne Li­di­ja, Gott hab sie se­lig, ge­stor­ben ist, ja, wie ich gern zu­ge­be, un­ter mys­te­ri­ösen, schau­ri­gen Um­stän­den. Aber all das, was mei­ne Vor­fah­ren hier ak­ku­mu­liert ha­ben, wer sagt uns, daß all das nicht eine großan­ge­leg­te Fik­ti­on ist, eine Fäl­schung mei­nes Va­ters, mei­nes Großva­ters? Wir sind doch alle ver­rückt, und das seit Jahr­hun­der­ten. Viel­leicht bes­teht die Ver­rück­heit dar­in, der­glei­chen Wahn­ge­bäu­de auf­zus­tel­len.“
    „ Sie mei­nen also, die­ser Stamm­baum, die ur­al­ten Ge­mäl­de drau­ßen im Flur, all das wäre also we­ni­ge Jahr­zehn­te alt und nur an­ge­fer­tigt, um nach­fol­gen­de Ge­ne­ra­tio­nen zu täu­schen?“ frag­te ich

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