Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Ach, das“, meinte sie abfällig. “Was möchten Sie darüber wissen?“
„ Näheres über Ihre Abreise.“
„ Ja. So.“ Sie verfiel in Grübeln. „Zuvor würde ich Sie aber gerne noch einmal fragen“, lenkte sie ab, „ob Sie mich und die Geschichte meiner Geburt für glaubwürdig halten. Mich interessiert Ihre Meinung als Arzt.“
„ Na gut“, sagte ich, beugte mich vor und kniff sie in den Oberarm.
Sie schrie auf: „Was soll das jetzt!?“
„ Eine ärztliche Maßnahme. Und das Ergebnis ist Folgendes: So schreien gemeinhin Babys, die aus einem Mutterleib hervorgekrochen sind. Aber ich gebe Ihnen gerne zu: Wenn Sie immaterieller Natur seien sollten und sich zwar vorübergehend manifestieren können, grundsätzlich aber körperlos, stofflos und unsterblich über uns Menschen schwebten, dann würde das einiges an Interpretationen erleichtern. Mir wären dann gewisse Umstände Ihrer Abreise aus Tyne erklärlich, und ich würde mich dann auch nicht mehr darüber wundern, daß Sie sich heute Nachmittag am Eiffelturm übergangslos in Luft auflösten. Ich muß Ihnen dann aber auch gestehen, daß mich ein Phantasiegebilde, eine Illusion, nicht ausreichend interessieren würde, um mit ihm einen Abend zu verbringen.“
„ Na gut, dann sage ich Ihnen, was auf Tyne passierte. Die Kammer brannte, und ich hatte mich auf den Balkon zurückgezogen, als Sie mit diesem unsäglichen Menschen, diesem Dämon Holmes, eindrangen und von den Dämpfen benebelt hinsanken. Da nun der Weg ins Freie offen war, lief ich über ihre bewusstlosen Körper hinweg und versteckte mich am Gang in einem Abstellraum. Ich wusste, daß der Feuertod meines Mannes meine Lage auf Tyne unmöglich machen würde und flüchtete, wobei ich nur das Nötigste mit mir nahm. Ich kehrte nach Paris zurück, denn es ist meine Heimatstadt geworden, und ich habe sonst keinen Platz auf der Welt, an den ich zurückkehren kann. Seither habe ich hier gelebt, in einer kleinen Pension. Mehr ist nicht dran.“
„ Das ist vielleicht die hanebüchenste Version einer Geschichte, die ich je gehört habe!“ rief ich aus. „Sie vergessen, Madame, daß ich bei all dem anwesend war!“
Sie schluckte von meinen Worten, wurde blass und lehnte sich zurück.
„ Dann glauben Sie mir eben etwas, das Ihr Verstand nicht anzunehmen mag: Ich lebte mit einem Gott, und dieser Gott kam, um mich zu rauben.“
„ Schon besser“, sagte ich, „aber natürlich ebenso unglaublich.“
„ Und Ihr Freund Holmes tötete ihn. Tötete ihn, ohne ihn zu kennen. Ermordete ihn, der gekommen war, um mich zu befreien. Denn wenn Sie es genau wissen wollen, dann hasste ich meinen Mann, Lord Cumberton-Shoyle, und trachtete, seitdem er mich aus Paris entführt hatte, ständig nach seinem Leben.“
Während sie gesprochen hatte, war ihr Gesichtsausdruck verändert. Ich konnte nicht sagen wie, aber es war etwas in sie getreten, das mir Unbehagen bereitete. Sie war immer noch so klein und zierlich wie zuvor, aber es war etwas in ihr, das es angeraten scheinen ließ, sie nicht weiter zu reizen.
„ Und deshalb wird das auch der Tod Ihres Freundes sein, Watson. Man spielt nicht mit den Göttern, vor allem kämpft man nicht mit ihnen. Sie wissen natürlich, daß ein Gott nicht sterben kann. Er kann sich ändern, ja, und der Gott, der mir der liebste und treueste Begleiter war, ja, er ist verändert. Verändert bis zur Unkenntlichkeit! Ihr Holmes hat ihn mir verunstaltet, hat uns entfremdet!“
„ Ach ja? Und ... können Sie mir sagen, wie?“
Durch diese Frage schien die hasserfüllte Fratze, zu der ihr liebliches Gesicht geworden war, in sich zusammenzufallen. Sie schwieg eine Weile, während Tränen ihre Augen füllten. „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie“, meinte sie mit erstickter Stimme.
Es war
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