Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Verwunderung. Eigentlich glaubte ich, müsste es gereicht haben, mir in das Gesicht zu sehen. Ich fühlte mich durchschaut, entlarvt ab dem Moment, als mein Mann einen Arzt nach Tyne kommen ließ.“
„ Inwiefern, Lady Cumberton?“
“ Es war mir ja auch nicht gelungen, meinen Mann über meinen wahren Zustand hinwegzutäuschen, nicht wahr?”
„ Worüber, Lady Cumberton?“
Sie machte eine Pause und sah auf die Tischplatte. „Sagen Sie Elin. Sie werden mich für wahnsinnig halten, wenn ich Ihnen davon erzähle, oder für eine Hochstaplerin. Nichtsdestoweniger ist es die einfache, nackte Wahrheit, die ich Ihnen offenbare.“
„ Davon gehe ich aus, Mylady“, sagte ich fröhlich (vielleicht hatte an dieser Gewissheit der ausgezeichnete Tropfen seinen Anteil). Ihr Auge blitzte mich an, Sekundenbruchteile lang, dann seufzte sie und verfiel in Schweigen. Sie hatte die Beine zu sich auf die Polsterbank geschmiegte, eine Ofenbank neben einem alten Kachelofen, ganz hinten in der letzten Ecke des Lokals, während ich ihr auf einem bequemen Sessel gegenübersaß. Es war sehr annehmlich hier, und ich hatte mir gerade eine Tasse türkischen Kaffees bestellt, um ein Zigarrchen in aller Ruhe zu genießen. Wie ein Kätzchen erschien mir mein Gast, und ich wollte alles tun, um sie zum Schnurren zu bringen. „So reden Sie doch, Kindchen“, bat ich, und nahm ihre Hand in die meine, eine schlanke, und doch kräftige, gepflegte Hand.
„ Wenn Sie mir versprechen, mich bis zum Ende anzuhören“, sagte sie, „und falls Sie mir glauben, dann lade ich Sie ein, mir danach an einen anderen Ort zu folgen, wo ich Ihnen beweisen kann, daß es sich gerade so verhält, wie ich es Ihnen sage, nämlich in den Cinematographen an der Place Vendome, wo der Streifen Abend für Abend kurz vor Mitternacht zu sehen ist.“
„ Einverstanden. Aber das wird nicht notwendig sein, denn ich traue Ihnen.“
„ Und wenn Sie mir noch ein Glas einschenken? Ich kann jede Unterstützung gebrauchen.“
„ Sie zu gewähren, das versteht sich von selbst.“
Sie nahm einen tiefen Schluck, und ich merkte, daß ihre Zähne an dem Glas anschlugen. Mit Kälte oder Hunger hatte das Ganze nichts zu tun.
„ 1889“, begann sie, mit einer veränderten Stimme, „ist meine Geburtsstunde. Ich kam an einem Frühlingstag zur Welt. Es regnete, als ich aus dem Cinematographen kam und hinausschritt auf die Straße, an seiner Seite.“
„ Halt, Halt“, bat ich, „ich muß da etwas falsch verstanden haben. Sie sagten, Sie kamen zur Welt, vor elf Jahren. Wie haben Sie das gemeint?“
„ Das ist das Schwierige“, sagte sie. Ich kann Ihnen nur sagen, was mir gesagt wurde. Selbst weiß ich nichts davon, wie jeder. Keiner kennt die genauen Umstände seiner Geburt, nicht wahr? Aber ich habe das Lichtspiel gesehen und es stimmt wohl.“
„ Welches Lichtspiel?“
„ Ach, irgendein kleines Lichtspiel, wahrscheinlich aus Amerika, einen billigen Streifen.“
„ Und was ist nun damit?“ Ich merkte, daß sie die Luft angehalten hatte im Versuch, sich um eine konkrete Antwort zu drücken, und nun stieß sie diese resigniert aus.
„ Ich war in dem Lichtspiel. Ich nahm daran Teil.“
„ Als Schauspielerin?“
„ Ja, wahrscheinlich. Ich weiß nichts darüber.“
Ich hatte den Eindruck, daß das Gespräch stockte und sagte: „Vielleicht bin ich etwas begriffsstutzig, aber Sie sagen, Sie wurden vor elf Jahren geboren und waren Schauspielerin in einem kleinen, billigen, amerikanischen Lichtspiel.“
„ Genau.“
„ Ich habe keine Ahnung, was Sie damit meinen.“
Sie lächelte gequält, und ich merkte, daß sie wieder zitterte. „Ich versuche, Ihnen begreiflich zu machen, daß ich diesem Lichtspiel entstiegen bin. Zumindest erinnere ich mich nicht, vorher gelebt zu haben. Die einzigen
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