Voodoo
für die beiden ein Wunder. Sie haben die Kleine vergöttert.«
Manuela hatte Max nicht besonders gemocht, aber sie hatte die diplomatische Art ihres Vaters geerbt und schon in zartem Alter begriffen, dass man andere nur dann beleidigen durfte, wenn es auch bestimmt keiner mitkriegte. Sie war stets höflich zu ihm gewesen und hatte »Onkel Max« zu ihm gesagt, aber wenn sie glaubte, dass er sie nicht hören konnte, sagte sie nur »Max« oder »der«. Es hatte ihn amüsiert, aus dem Kind die zukünftige Erwachsene sprechen zu hören.
»Sie haben mich engagiert, als die Lösegeldforderung kam. Ich habe ihnen geraten, zur Polizei zu gehen, aber die Erpresser hatten gedroht, die Kleine umzubringen, wenn sie die Polizei einschalteten. Der übliche Scheiß, wie im Fernsehen«, erzählte Max in den Raum hinein. »Traue niemals einem Erpresser, am allerwenigsten, wenn er sagt, du sollst nicht zur Polizei gehen. Bei denen stellt sich immer raus, dass sie nicht wissen, was sie tun, und in neun von zehn Fällen kommt das Opfer zu Schaden. Das habe ich Richard gesagt, aber er wollte sich trotzdem an ihre Regeln halten.
Er hat mich gebeten, das Lösegeld zu überbringen. Ich sollte es an einer bestimmten Stelle deponieren und dann auf den Anruf der Entführer warten, die mir sagen sollten, wo ich Manuela finden würde. Ich habe die Tasche in der Nähe einer Telefonzelle in Orlando abgestellt. Ein Typ auf einem Motorrad hat sie abgeholt. Er hat mich nicht gesehen. Ich hatte mich auf der anderen Straßenseite versteckt. Ich habe sein Nummernschild gesehen und sein Motorrad, und ich konnte ihn beschreiben.
Der Anruf kam nicht. Ich habe das Nummernschild von einem Freund bei der Polizei abfragen lassen. Es gehörte einem von Richards Angestellten. Ich habe alles aus ihm rausgeholt, was ich wissen musste, und ihn den Bullen übergeben.
Er hat gesagt, Manuela werde in einem Haus in Orlando festgehalten. Ich fuhr hin, aber sie war nicht mehr da«, sagte Max. Er sah, wie Francesca Carver unter dem Tisch ihre Serviette zwirbelte, wieder auseinanderdrehte und erneut mit festem Griff auswrang.
»Der Typ hatte mir die Namen seiner Komplizen genannt. Es waren drei, alle noch Teenager. Siebzehn. Zwei Jungs, ein Mädchen. Schwarze. Alle drei vorbestraft. Das Mädchen war von zu Hause weggelaufen und ging jetzt auf den Strich. Einer der Jungs war der Cousin des Anführers.«
Die Dienstmädchen kamen herein, räumten die Teller ab und füllten Wasser und Saft nach. Allain und Gustav schenkten ihm ihre volle, ungeteilte Aufmerksamkeit. Er spürte, wie sie förmlich an seinen Lippen hingen. Francesca sah ihn nicht an. Die Ader an ihrer Stirn pulsierte.
»Es gab eine Fahndung, erst auf Staats-, dann auf Bundesebene, das FBI hat sich eingeschaltet. Sechs Monate haben sie nach Manuela und ihren Entführern gesucht, vergeblich. Auch ich habe nach ihr gesucht. Richard hat mir eine Million Dollar geboten. Aber ich wollte kein Geld.«
Max erinnerte sich nur zu gut an seine Suche, an die endlosen Meilen auf schwarzweißen Highways und Freeways, Stunden und Tage in verschiedenen Mietwagen, die alle irgendwie kaputt waren: keine Klimaanlage, keine Heizung, der linke Blinker defekt, das Automatikgetriebe zu langsam, kein Radio, das Radio zu laut, Gerüche von Fastfood und Vormietern. Motelzimmer, Fernseher, Flüge. Die Müdigkeit, die legalen Wachmacher, die er mit Kaffee runterspülte, die Anrufe zu Hause, die Telefonate mit den Garcias. Seine Verzweiflung, die immer größer und länger wurde wie die Schatten am Nachmittag oder am frühen Abend. Er erlebte das alles noch einmal, aus der Ferne jetzt und von der Zeit verwässert, aber die Überreste waren noch immer mächtig genug.
»Ich habe viele Schrecklichkeiten gesehen in meinem Leben. Ich habe gesehen, wie Menschen anderen Menschen Dinge antun, die man sich nicht vorstellen kann. Aber dabei ging es mir mehr oder weniger gut. Es gehörte zu meinem Job, war ein Teil des Pakets. Das alles konnte ich am Ende einer jeden Schicht hinter mir lassen, konnte den Dreck abwaschen und ein paar Stunden später wieder eintauchen.
Aber wenn es einen persönlich trifft, wird es hart. Diese paar Stunden Auszeit – der Raum zwischen arbeiten und nicht arbeiten –, die gibt es nicht mehr. Es ist dann kein Job mehr. Man steht da direkt neben den Verwandten, den Vätern und Müttern, den Ehemännern und -frauen, den Freunden und Freundinnen, den Zimmergenossen, den Haustieren – und man fängt ihre Trän en
Weitere Kostenlose Bücher