Vor aller Augen
er gesagt.«
Ich setzte mich neben Monnie und blickte auf den Bildschirm. »Und jetzt hat jemand einen vielversprechenden Markt für weiÃe Frauen der oberen Mittelschicht eröffnet. Wer? Und von wo aus arbeitet er? Europa? Asien? Den Vereinigten Staaten?«
»Das ermordete Ehepaar könnte ein Durchbruch für uns sein. Russen. Was meinen Sie?«, fragte Monnie.
»Es könnte ein Ring sein, der von New York aus operiert. Brighton Beach. Oder befindet sich das Hauptquartier in Europa? Heutzutage sitzen die russischen Kriminellen fast überall. Es ist nicht mehr âºDie Russen kommenâ¹. Sie sind schon da.«
Monnie lieferte Informationen. »Die Solntsevo-Gang ist zurzeit das gröÃte Verbrechersyndikat der Welt. Wussten Sie das? Hier sind die auch ganz groà im Geschäft. An beiden Küsten. Die Russenmafia ist in ihrem Land praktisch zusammengebrochen. Sie haben nahezu hundert Milliarden aus Russland herausgeschmuggelt und davon ist viel hierher geflossen. Wir haben Einsatzgruppen in L.A., San Francisco, Chicago, New York, Washington, D.C., und Miami, die sich mit dem Problem befassen. Die Russen
haben Banken in der Karibik und Zypern gekauft . Glauben Sie es oder nicht, sie kontrollieren mittlerweile Prostitution, Glücksspiel und Geldwäsche in Israel. In Israel !«
Es gelang mir, ein paar Worte einzuwerfen. »Ich habe gestern Abend ein paar Stunden die Akten von Anti-Slavery International studiert. Da mischt die Russenmafia auch mit.«
»Ich verrate Ihnen noch etwas.« Sie schaute mich an. »Der Junge, den sie in Newport entführt haben. Ich weià , dass es nach einem anderen Muster abgelaufen ist, aber ich bin überzeugt, dass er Teil dieser Sache ist. Was denken Sie?«
Ich nickte. Ich war ihrer Meinung. Und ich dachte auch, dass Monnie für jemanden, der so selten das Büro verlieÃ, über die scharfe Auffassungsgabe eines fähigen Cops verfügte. Bis jetzt war sie der beste Mensch, den ich beim FBI kennen gelernt hatte. Und nun saÃen wir in ihrem winzigen Büro und bemühten uns, den Fall »WeiÃes Mädchen« zu lösen.
47
Seit meiner Zeit an der Johns Hopkins University hatte ich nie richtig aufgehört, ein Student zu sein. Das hatte mir beim Polizeidienst in Washington geholfen und mir sogar eine gewisse geheimnisvolle Aura verliehen. Ich hoffte, beim FBI würde es ebenso laufen, doch bis jetzt war dem nicht so. Ich setzte mich mit genügend schwarzem Kaffee hin und begann mit den
Recherchen über die russische Mafia. Ich musste alles darüber wissen und Monnie Donnelley war eine willige Komplizin.
Ich machte mir ein paar Notizen, obwohl ich mich für gewöhnlich an alles Wichtige erinnere und mir nur selten etwas aufschreiben muss. Laut den FBI-Akten war die Russenmafia in Amerika mittlerweile mächtiger als die Cosa Nostra. Im Gegensatz zur italienischen Mafia waren die Russen in losen Netzwerken organisiert, die zwar kooperierten, aber nicht von einander abhängig waren. Zumindest nicht bis jetzt. Ein Riesenvorteil dieser losen Strukturen war, dass sie der RICO-Verfolgung durch die Regierung entgingen. Man konnten ihnen keine Verschwörungen nachweisen. Es gab zwei deutlich unterschiedliche Typen von russischen Mafiakriminellen. Die »StraÃengangster« waren für Prostitution und Schutzgelderpressung zuständig, diese Gruppe hieà Solntsevo . Die zweite Gruppe der Russenmafia operierte auf einer höheren Ebene, hatte mit Versicherungsbetrug und Geldwäsche zu tun. Das waren die neokapitalistischen Kriminellen, Izmailovo genannt.
Für den Moment wollte ich mich auf die erste Gruppe konzentrieren, das niedere Volk, besonders die Brigaden, die mit Prostitution zu tun hatten. Laut Bericht der FBI-Abteilung Organisiertes Verbrechen funktionierte das Geschäft mit den Prostituierten sehr ähnlich wie das in der »Oberliga im Baseball«. Eine Gruppe Prostituierter konnte vom Besitzer von einer Stadt in die nächste verschachert werden. Als FuÃnote las ich, dass bei einer Umfrage, die unter Schülerinnen der siebten Klasse in Russland durchgeführt worden war, Prostitution unter den fünf späteren Wunschberufen genannt wurde. Etliche historische Anekdoten waren in den Bericht eingeflochten, um die Mentalität von russischen Kriminellen aufzuzeigen: gerissen und
skrupellos . Laut einer Geschichte hatte Ivan der Schreckliche den Bau der
Weitere Kostenlose Bücher