Vor aller Augen
hatte mindestens fünfzig Pfund Ãbergewicht. Was konnte dieser Mann mit dem Wolf gemeinsam haben?
Ich blickte ihm in die Augen und sagte: »Es geht um Entführung. Es geht um Mord. Wollen Sie hier drauÃen darüber sprechen, im Empfangsbereich, Sterling? «
Lawrence Lipton wurde kreidebleich, und seine Arroganz fiel von ihm ab. »Kommen Sie herein«, sagte er und trat einen Schritt zurück.
Ich folgte ihm in eine Abteilung, wo Kleinbüros durch niedrige Trennwände abgeteilt waren. Jede Menge Büroangestellte. Bis jetzt lief alles so, wie ich es erwartet hatte. Doch nun würde es interessant werden. Vielleicht war Lipton »weicher«, als ich gedacht hatte, aber er hatte in Dallas mächtige Beziehungen. Dieses Bürogebäude war eines der Wahrzeichen der Stadt.
»Ich bin Mr. Potter«, stellte ich mich vor, als wir einen Korridor mit Stofftapeten entlanggingen. »Zumindest habe
ich Mr. Potter beim letzten Mal gespielt, als wir im Wolfsbau plauderten.«
Lipton drehte sich nicht um, er reagierte überhaupt nicht. Wir traten in ein mit Holz getäfeltes Büro. Er schloss die Tür. Der groÃe Raum hatte ein halbes Dutzend Fenster und bot einen herrlichen Panoramablick. Neben der Tür sah ich auf einer Hutablage mehrere Dallas-Cowboyhüte und Texas-Ranger-Kappen, alle mit Autogrammen.
»Ich habe immer noch keine Ahnung, worum es geht, aber ich gebe Ihnen genau fünf Minuten, um es mir zu erklären«, sagte er forsch. »Ich glaube nicht, dass Sie wissen, mit wem Sie sprechen.«
»Doch, tue ich. Sie sind Henry Liptons ältester Sohn. Sie sind verheiratet und haben drei Kinder und ein schönes Haus in Highland Park. AuÃerdem sind sie an Entführungs- und Mordfällen beteiligt, in denen wir seit mehreren Wochen ermitteln. Sie sind Sterling, und wir wollen, dass Sie etwas begreifen: All Ihre Beziehungen und all die Beziehungen Ihres Vaters in Dallas werden Ihnen jetzt nicht helfen. Andererseits würde ich Ihre Familie gern so gut wie möglich schützen. Das liegt ganz bei Ihnen. Ich bluffe nicht. Ich bluffe nie.«
»Ich rufe meinen Anwalt an«, sagte Lawrence Lipton und ging zum Telefon.
»Das Recht haben Sie. Aber ich würde es nicht tun, wenn ich Sie wäre. Es wird Ihnen nicht helfen.«
Irgendetwas in meiner Stimme hielt Lipton davon ab, anzurufen. Seine Hand zog sich vom Telefon auf dem Schreibtisch zurück. »Warum?«, fragte er.
»Sie sind mir völlig egal«, sagte ich. »Sie sind an Mord beteiligt. Aber ich habe Ihre Frau und Ihre Kinder gesehen. Wir haben Ihr Haus observiert, und wir haben bereits mit Ihren Nachbarn und Freunden gesprochen. Wenn Sie verhaftet
werden, ist Ihre Familie in Gefahr. Wir können sie vor dem Wolf schützen.«
Liptons Gesicht und Hals färbten sich tiefrot. »Was zum Teufel ist mit Ihnen los?«, brüllte er. »Haben Sie den Verstand verloren? Ich bin ein geachteter Geschäftsmann. Ich habe nie im Leben einen Menschen entführt oder verletzt. Das ist doch total verrückt.«
»Sie haben die Befehle gegeben. Das Geld ist zu Ihnen geflossen. Mr. Potter hat Ihnen hundertfünfundzwanzigtausend Dollar geschickt. Nun, eigentlich war es das FBI.«
»Ich rufe jetzt meinen Anwalt an«, schrie Lipton. »Das ist doch völliger Irrsinn. Das muss ich mir von niemandem gefallen lassen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Dann haben Sie den schlechtmöglichsten Weg gewählt. Diese Büros werden umgehend durchsucht werden. Danach Ihr Haus in Highland Park. Auch das Haus Ihrer Eltern im Kessler Park. Ebenso das Büro Ihres Vaters. Auch die Büros Ihrer Frau im Kunstmuseum werden durchsucht werden.«
Er griff zum Telefon. Aber ich sah, dass seine Hand zitterte. Er flüsterte: »Fick dich doch selbst.«
Ich holte ein Walkie-Talkie heraus und sprach hinein. »Zugriff auf die Häuser und Büros«, befahl ich. Dann wandte ich mich wieder an Lipton. »Sie sind festgenommen. Jetzt können Sie Ihren Anwalt anrufen. Sagen Sie ihm, dass man Sie ins FBI-Büro gebracht hat.«
Wenige Minuten später stürmte ein Dutzend Agenten das Büro mit dem atemberaubenden Blick auf die Stadt und der eleganten, teuren Einrichtung.
Wir hatten Sterling verhaftet.
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Pasha Sorokin war in der Nähe und beobachtete alle und alles mit groÃem Interesse. Vielleicht war es an der Zeit, dem FBI zu zeigen, wie man diese Dinge in
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