Vor aller Augen
der Firma Ihres Vaters beschlagnahmen und sie notfalls schlieÃen können? AuÃerdem ist Ihr Vater wahrscheinlich ein Ziel
des Wolfs. Wir sind nicht hier, um Ihrer Familie wehzutun«, fügte ich hinzu. »Nicht, wenn Ihr Vater mit der ganzen Sache nichts zu tun hat.«
Er schüttelte den Kopf und hielt die Augen gesenkt. »Mein Vater hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen.«
»Das habe ich auch gehört«, erwiderte ich. »Ich habe während des gestrigen Tages viel über Sie und Ihre Familie gelesen. Bis zurück zu Ihrer Schulzeit in Texas. In Austin sind Sie ein paarmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Zweimal wurde Ihnen vorgeworfen, die junge Frau, die mit Ihnen ausgegangen war, vergewaltigt zu haben. Keiner der beiden Fälle kam vor Gericht. Ihr Vater hat damals Ihren Arsch gerettet. Diesmal wird das nicht geschehen.«
Lawrence Lipton antwortete nicht. Seine Augen wirkten leblos, und er sah aus, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen. Sein blaues Hemd war so zerknittert wie ein gebrauchtes Papiertaschentuch; unter den Armen war es schweiÃgetränkt. Sein Haar war nass, und dünne Rinnsale liefen von den Koteletten in seinen Hemdkragen. Er hatte dicke Tränensäcke, die im grellen Licht des Vernehmungsraums leicht lila schimmerten.
»Ich will nicht, dass meiner Familie etwas zustöÃt«, sagte er plötzlich. »Lassen Sie meinen Vater da raus. Schützen Sie ihn.«
Ich nickte. »Okay, Lawrence. Wo fangen wir an? Ich bin bereit, Ihre gesamte Familie in Schutzhaft zu nehmen, bis wir ihn haben.«
»Und danach?«, fragte er. »Mit ihm hört es nicht auf.«
»Wir werden Ihre Familie schützen.«
Lipton seufzte laut. »Na schön. Ich bin der Geldmann. Ich bin Sterling. Ich könnte Sie vielleicht zum Wolf führen. Aber ich brauche schriftliche Zusagen. Eine Menge Zusagen.«
98
Ich war auf dem Weg in die tiefste Dunkelheit, welche mich ebenso magisch anzog wie andere Menschen das Sonnenlicht. Ich dachte an Elizabeth Connolly, die vermutlich tot war.
Liptons Vater besuchte ihn mehrmals, und die beiden Männer weinten. Mrs. Lipton wurde gestattet, ihren Mann zu sehen. Die Familienmitglieder weinten alle ziemlich viel, und die meisten Tränen hielt ich für echt.
Ich blieb mit Sterling bis drei Uhr morgens im Vernehmungsraum. Ich war bereit, noch länger zu bleiben, so lange, wie es nötig war, um die Information zu bekommen, die ich brauchte. Während der Nacht wurden mehrere Abkommen mit seinen Anwälten geschlossen.
Gegen zwei Uhr morgens waren die Besprechungen mit den Anwälten zum gröÃten Teil abgeschlossen. Lipton und ich saÃen wieder da und redeten. Zwei Agenten von der FBI-AuÃenstelle in Dallas waren ebenfalls anwesend. Sie sollten Protokoll führen und alles auf Band aufzeichnen.
Ich war derjenige, der das Verhör durchführte .
»Wie sind Sie mit dem Wolf zusammengekommen?«, fragte ich Lawrence Lipton, nachdem ich ihm nochmals meine Besorgnis wegen seiner Familie erläutert hatte. Er schien jetzt klarer im Kopf und konzentrierter als vor einigen Stunden. Ich spürte, dass eine schwere Last von ihm abgefallen war. Schuld, Verrat an seiner Familie â vor allem an seinem Vater? Seinen Schulunterlagen nach war er ein intelligenter, aber schwieriger Schüler gewesen. Seine Probleme kreisten stets um seine Sex-Besessenheit, aber er hatte sich keinen einzigen Tag einer Therapie unterzogen. Lawrence Lipton war ein abartiger Perverser.
»Wie bin ich mit dem Wolf zusammengekommen?«, wiederholte er, als stelle er sich selbst diese Frage. »Ich habe eine Schwäche für junge Mädchen, verstehen Sie. Teenies und noch jünger. Heutzutage sind diese jungen Dinger leicht zu haben. Das Internet hat da ganz neue Quellen eröffnet.«
»Wofür? Seien Sie so konkret wie möglich, Lawrence.«
Er zuckte mit den Schultern. »Für solche wie mich. Heute können wir alles bekommen, was wir wollen. Und ich weiÃ, wie man die richtig schlimmen Websites findet. Anfangs habe ich mich mit Fotos und Filmen begnügt. Besonders Reality-Filme haben mir gefallen.«
»Wir haben einige in Ihrem Arbeitszimmer in Ihrem Haus gefunden.«
»Eines Tages hat mich ein Mann aufgesucht. Er kam ins Büro, genau wie Sie.«
»Um Sie zu erpressen?«, fragte ich.
Lipton schüttelte den Kopf. »Nein, keine Erpressung. Er fragte mich, was
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