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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Zeitungen und das Fernsehen überschlugen sich mit ihren Berichten über die Geschichte. Was jetzt geschehen würde, hatten sie bereits um zwei Tage verschieben müssen. Aber er hatte es für das Beste gehalten, daß Torgeir sein Versteck in Kopenhagen aufsuchte, während sie stillhielten und warteten.
    Sie gingen zum Zentrum, bogen bei der Post ab und blieben an der Tierhandlung stehen. Es waren keine Kunden im Laden. Die Verkäuferin war jung, sie packte Katzenfutter in ein Regal, als sie eintraten. Käfige mit Hamstern, Kätzchen und Vögeln standen neben- und übereinander. Torgeir lächelte, sagte aber nichts. Es war unnötig, die Menschen seinen norwegischen Akzent hören zu lassen. Während Torgeir sich im Laden umsah und plante, wie er vorgehen würde, kaufte sein Erlöser ein kleines Päckchen Vogelfutter. Dann verließen sie den Laden und gingen hinunter zum Theater und weiter zum Sportboothafen. Es war ein warmer Tag; noch jetzt, Anfang September, fuhren Boote durch die Hafeneinfahrt ein und aus.
    Das war der zweite Teil der Zeremonie, in der Nähe von Wasser zu sein. Einst hatten sie sich am Eriesee getroffen. Seitdem suchten sie immer Strände auf, wenn sie wichtige Vorbereitungen zu treffen hatten.
    »Die Käfige stehen eng zusammen«, sagte Torgeir. »Ich sprühe mit beiden Händen nach verschiedenen Seiten, werfe das Streichholz hinein, und in wenigen Sekunden wird alles in Flammen stehen.«
    »Und dann?«
    »Ich rufe:
Gott hat gefordert

    »Und dann?«
    »Ich gehe nach links und dann nach rechts, nicht zu schnell, nicht zu langsam. Ich bleibe auf dem Marktplatz stehen und kontrolliere, ob mir jemand folgt. Dann gehe ich zu dem Kiosk gegenüber vom Krankenhaus, wo du wartest.«
    Sie unterbrachen ihr Gespräch und folgten mit den Blicken einem Holzboot, das soeben einlief. Der Motor war sehr laut und stotterte.
    »Dies sind die letzten Tiere. Wir haben unser erstes Ziel erreicht.«
    Torgeir Langaas schickte sich an, dort auf der Pier niederzuknieen.
    Blitzschnell packte er Torgeirs Arm und zog ihn hoch. »Nie, wenn jemand zusieht.«
    »Ich vergaß.«
    »Aber bist du ruhig?«
    »Ich bin ruhig.«
    »Wer bin ich?«
    »Mein Vater, mein Hirte, mein Erlöser, mein Gott.«
    »Wer bist du?«
    »Ich bin der erste Jünger. Aufgegriffen auf einer Straße in Cleveland, gerettet zum Leben. Ich bin der erste Jünger.«
    »Was bist du mehr?«
    »Der erste Priester.«
    Einst war ich Sandalenmacher, dachte er. Ich träumte von etwas anderem und floh schließlich vor dem Gefühl von Scham, dem Gefühl, verloren zu haben, alle meine Träume mit meiner Unfähigkeit, ihnen zu entsprechen, zunichte gemacht zu haben. Jetzt forme ich Menschen auf die gleiche Art und Weise, wie ich einst Sohlen, Einlagen und Riemen geformt habe.
    Es war vier Uhr geworden. Sie gingen durch die Stadt und setzten sich hin und wieder auf eine Bank. Die ganze Zeit unter Schweigen. Jetzt gab es keine Worte mehr. Dann und wann warf er einen Blick auf Torgeir. Er wirkte jetzt völlig ruhig, auf seine Aufgabe konzentriert.
    Ich mache einen Menschen froh, dachte er. Einen Mann, der als reiches und verwöhntes, doch gleichzeitig als geschundenes und verzweifeltes kleines Kind heranwuchs. Jetzt mache ich ihn froh, indem ich ihm Vertrauen erweise.
    Sie wanderten von Bank zu Bank, bis es sieben schlug. Der Laden schloß um sechs. Er folgte Torgeir bis zum Postamt an der Ecke. Der Abend war lau, und es waren viele Menschen auf den Straßen. Das war ein Vorteil. In dem Chaos, das der Brand auslösen würde, würde sich keiner an ein einzelnes Gesicht erinnern.
    Sie trennten sich. Er ging schnell zum Marktplatz und drehte sich um. In seinem Kopf lief ein Zeitplan ab. Jetzt brach Torgeir mit einem kräftigen Ruck des Brecheisens die Ladentür auf. Jetzt war er im Laden, schob die aufgebrochene Tür zu und lauschte auf Geräusche. Die Tasche auf dem Fußboden, die Sprayflaschen mit Benzin, dann das Streichholz. Er hörte einen Knall, meinte, ein Licht hinter den Häusern zu sehen, die zwischen dem Marktplatz und der Tierhandlung lagen. Dann kam die Rauchsäule. Er wandte sich um und ging davon. Bevor er noch den Treffpunkt erreicht hatte, hörte er die ersten Sirenen.
    Es ist vorbei, dachte er. Jetzt richten wir den christlichen Glauben wieder auf, die christliche Forderung, wie ein Mensch sein Leben leben soll. Die lange Zeit in der Wüste ist vorüber.
    Jetzt geht es nicht mehr um die unbeseelte Kreatur, die nur einen Schmerz verspürt, den sie nicht

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