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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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denn?«
    »Ich bin Polizistin. Ich heiße Linda Wallander.«
    Es ist fast wahr, dachte sie. Keine Lüge, die mich in Schwierigkeiten bringen kann.
    »Wie kann man all diese Tiere töten? Stimmt es, daß da drin auch ein Pferd war?«
    »Nein«, sagte Linda. »Pferde dürfen in Zoohandlungen nicht verkauft werden, wenn sie keinen Stall haben. Man hält Pferde nicht in Käfigen, sondern in Stallboxen. Was hast du denn gesehen?«
    »Einen Mann.«
    »Der was tat?«
    »Der das Geschäft angezündet hat, so daß alle Tiere verbrannten. Ich kam vom Theater herüber und wollte ein paar Briefe einwerfen. Als ich schon halb bei der Post war, ungefähr eine Straßenecke vor der Zoohandlung, merkte ich, daß jemand hinter mir ging. Ich fuhr zusammen, weil er sich fast lautlos bewegte. Ich trat zur Seite und ließ ihn vorbei. Dann ging ich hinter ihm her. Aus irgendeinem komischen Grund versuchte ich, genauso leise zu gehen. Aber nach ein paar Metern merkte ich, daß ich einen Brief im Wagen liegengelassen hatte. Ich ging zurück und holte ihn. Dann ging ich zur Post.«
    Linda hob die Hand. »Wie lange hat es gedauert, zurückzugehen und den Brief zu holen?«
    »Drei, vier Minuten. Der Wagen stand in der Ladezone beim Theater.«
    »Was geschah, als du wieder zur Post gegangen bist? Hast du den Mann wiedergesehen?«
    »Nein.«
    »Und als du an der Tierhandlung vorbeikamst? Was hast du getan?« »Ich habe vielleicht einen Blick ins Fenster geworfen. Ich bin nicht so interessiert an Schildkröten und Hamstern.«
    »Was hast du gesehen?«
    »Ein blaues Licht im Laden. Das ist immer da.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich werfe mehrmals in der Woche Briefe ein. Ich parke immer am Theater, jedesmal gehe ich an der Tierhandlung vorbei und sehe eine blaue Lampe. Ich nehme an, sie hat mit der Temperatur zu tun. Es macht mir einen Riesenspaß, zu der antielektronischen Mafia zu gehören, die beharrlich weiter Briefe schreibt. Mit der Hand noch dazu.«
    »Was passierte dann?«
    »Ich warf die Briefe ein und ging zurück zum Wagen. Es dauerte vielleicht noch einmal drei Minuten.«
    »Und dann?«
    »Das Geschäft explodierte. Zumindest kam es mir so vor. Ich war gerade vorbeigekommen, als es knallte. Ich zuckte zusammen von dem Knall. Es war ein greller Lichtschein um mich. Ich warf mich auf den Boden. Dann sah ich, daß das Zoogeschäft brannte. Und da sauste schon ein Tier mit brennendem Fell an mir vorbei. Es war schrecklich.«
    »Und dann?«
    »Es ging alles so schnell. Aber ich sah einen Mann auf der anderen Straßenseite stehen. Das Licht war so hell, daß ich mir ganz sicher war. Es war der Mann, den ich vorbeigelassen hatte. Außerdem trug er eine Tasche in der Hand.«
    »Hatte er die auch in der Hand, als du ihn vorbeigelassen hast?«
    »Ja, das hab ich zu sagen vergessen. Eine schwarze Tasche. Eine altmodische Arzttasche.«
    Linda wußte, wie eine solche Tasche aussah.
    »Und wie ging es weiter?«
    »Ich habe ihm zugerufen, er sollte mir helfen.«
    »Warst du verletzt?«
    »Ich glaubte es. Dieser Knall und das grelle Licht waren furchtbar.«
    »Hat er dir geholfen?«
    »Er sah mich nur an und ging weg.«
    »In welche Richtung ging er?«
    »Hinauf zum Marktplatz.«
    »Hast du ihn früher schon mal gesehen?«
    »Nie.«
    »Kannst du ihn beschreiben?«
    »Er war groß und kräftig. Außerdem hatte er eine Glatze, oder kurzgeschnittene Haare.« »Wie war er gekleidet?«
    »Dunkelblaue Jacke, dunkle Hosen, die Schuhe hatte ich vorher gesehen, als ich mich gefragt hatte, warum er so leise ging. Sie waren braun und hatten eine dicke Gummisohle. Aber es waren keine Joggingschuhe.« »Fällt dir noch was ein?« »Er rief etwas.« »Zu wem denn?« »Ich weiß nicht.« »War noch jemand da?« »Gesehen habe ich keinen.« »Und was rief er?«
    »Es hörte sich an wie ›Gott hat geforderte.« »›Gott hat geforderte?«
    »Beim ersten Wort bin ich mir sicher. ›Gott‹. Danach sagte er ›hat geforderte glaube ich. Aber es hörte sich an, als spräche er es anders aus.«
    »Wie, anders?«
    »Dänisch, vielleicht. Oder eher noch norwegisch. Ja, das muß es sein. Der Mann, der das gesagt hat, der das Geschäft in Brand gesteckt hat, hat Norwegisch gesprochen.«
    Linda fühlte, daß ihr Puls schneller zu schlagen begann. Es muß derselbe Norweger sein, dachte sie. Wenn es sich nicht um eine Verschwörung von Norwegern handelt.
    »Hat er noch mehr gesagt?«
    »Nein.«
    »Und wie heißt du?«
    »Amy Lindberg.«
    Linda suchte einen Kugelschreiber aus

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