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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Fall das Bier und ein paar Brote.«
    Als er zurückkam, brachte er zwei Gläser mit. Nur er aß.
    Linda erzählte, wie sie zufällig neben Amy Lindberg gelandet war, und gab ihr Gespräch wieder. Er hörte aufmerksam zu, stellte keine Fragen, hob nur einmal die Hand, damit sie eine Pause machte, und verstellte eine Stehlampe, deren Licht seine Augen irritierte. Eine Gardine bewegte sich. Linda nahm an, daß es ein Windstoß war. Draußen war es drückend. Sie folgte seinem Blick zur Gardine.
    »Ich glaube, es gibt ein Gewitter. Ich habe so einen Druck hinter den Schläfen. Ein Erbteil von meiner Mutter. Es bedeutet Gewitter. Ich habe einen Freund, der Giuseppe Larsson heißt und bei der Polizei in Östersund ist.«
    »Du hast schon von ihm gesprochen«, unterbrach Linda ihn.
    »Also er behauptet, mächtigen Appetit auf eingelegten Hering und einen Schnaps zu bekommen, wenn Gewitter aufzieht. Aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht, daß es wahr ist.«
    »Was ich sage, ist wahr.«
    Er nickte. »Ich hatte nicht vor, dich zu unterbrechen.«
    »Ich habe Angst, die Konzentration zu verlieren.«
    Sie erzählte weiter, ging ganz zurück bis zu dem, was vielleicht der Anfang von allem war, daß Anna meinte, ihren Vater auf einer Straße in Malmö gesehen zu haben. Und mitten in allem, was sie erzählte, bewegte sich eine schemenhafte Gestalt, ein Norweger, der vielleicht Torgeir Langaas hieß.
    »Jemand tötet Tiere«, schloß sie. »Immer mehr, brutaler, vielleicht kühner. Wenn man das Wort kühn für einen Irren überhaupt benutzen kann. Jemand tötet auch einen Menschen, zerstückelt ihn. Und Anna ist verschwunden.«
    »Ich kann verstehen, daß du dir Sorgen machst«, sagte er. »Schon deshalb, weil es nicht nur einen bedrohlichen Schatten von jemandem gibt, der vielleicht Annas Vater ist. Wir haben eine weitere unbekannte Person, die neben der anderen hergeht und
Gott hat gefordert
ruft. Vielleicht nicht immer so laut, daß wir es hören können. Aber die Worte stehen im Raum. Du sagst, du hättest von deiner Freundin erfahren, daß Anna religiös ist. Es gibt weitere Teile in diesem zerhackten Puzzle, das vielleicht gar kein Puzzle ist, sondern nur so wirkt, ein Puzzle als optische Täuschung. Und da ist die unfaßbare Grausamkeit, zwei abgeschlagene Hände ein stummes Gebet um Gnade beten zu lassen. Alles, was du erzählt hast, und alles, was ich selbst gesehen habe, macht deutlich, daß es eine religiöse Dimension gibt, die wir vielleicht nicht so ernst genommen haben, wie wir sollten.«
    Er leerte das Glas. Aus der Ferne war Donnergrollen zu hören.
    »Über Bornholm«, sagte Linda. »Da sind viele Gewitter.«
    »Der Wind kommt aus Ost. Das bedeutet, daß das Gewitter auf dem Weg hierher ist.«
    »Was hältst du von dem, was ich erzählt habe?«
    »Ich glaube, daß es wahr ist. Und daß du hergekommen bist und etwas erzählt hast, was Auswirkungen auf die Ermittlung haben wird.«
    »Auf welche der Ermittlungen?«
    »Birgitta Medberg. Deine Freundin ist bisher lediglich ein Fall unter Beobachtung. Das dürfte sich jetzt ändern, nehme ich an.«
    »Muß ich Angst haben?«
    Er schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich setze mich hin und schreibe alles auf, was du gesagt hast. Das solltest du vielleicht auch tun. Morgen früh spreche ich mit den Kollegen darüber.«
    Linda schüttelte sich. »Mein Vater wird wahnsinnig, weil ich zuerst mit dir geredet habe.«
    »Du kannst es doch damit begründen, daß er mit dem Brand beschäftigt war.«
    »Er meint, daß er nie zu beschäftigt sein kann, wenn es um etwas geht, was mich betrifft.«
    Stefan half ihr in die Jacke. Das Gefühl, daß sie ihn mochte, brachte sich wieder in Erinnerung. Seine Hände auf ihren Schultern waren behutsam.
    Sie ging nach Hause in die Mariagata. Ihr Vater saß am Küchentisch und wartete auf sie. Als sie sein Gesicht sah, war ihr sofort klar, daß er verärgert war. Dieser verdammte Stefan, dachte sie. Muß er Vater anrufen, bevor ich noch zu Hause bin?
    Sie setzte sich ihm gegenüber und stemmte sich gegen den Tisch. »Wenn du vorhast, loszubrüllen, gehe ich ins Bett. Nein, ich gehe aus dem Haus. Ich schlafe im Wagen.«
    »Du hättest ja wohl mit mir reden können. Das ist nicht gerade ein Vertrauensbeweis. Ganz und gar kein Vertrauensbeweis.«
    »Aber Herrgott! Du warst doch mit den toten Tieren beschäftigt. Das ganze Viertel brannte.«
    »Du hättest auch nicht selbst mit dieser Frau sprechen sollen. Wie oft muß ich dir noch

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