Vor dem Frost
Nähe des Waldes aufgehalten haben. Eine Gesellschaft von mindestens zwanzig Personen. Sie sind plötzlich aufgetaucht und auch wieder verschwunden. Es kann eine Schar Touristen gewesen sein, aber ihre Art, sich zu verhalten, vor allem, daß sie äußerst scheu waren, kann auch darauf schließen lassen, daß sie eine andere Gruppe waren.«
»Was für eine?« unterbrach Ann-Britt Höglund.
»Das wissen wir nicht. Aber es gab in dem Wald ein Versteck, und eine Frau ist dort ermordet worden.«
»Die Hütte ist kaum so groß, daß zwanzig Personen dort geschlafen haben können.«
»Das ist mir klar. Dennoch ist diese Information wichtig. Wir waren sicher, auf jeden Fall nach dem Mord in der Kirche von Frennestad, daß es sich um mehr als einen Täter handelt. Dieser neue Hinweis kann bedeuten, daß es sich um eine größere Anzahl von Tätern handeln kann.«
»Das klingt nicht plausibel«, sagte Martinsson. »Haben wir es mit einer Mörderbande zu tun?«
»Es kann eine Sekte sein«, sagte Stefan Lindman.
»Oder beides«, sagte Wallander. »Oder etwas, worauf wir noch gar nicht gekommen sind. Es kann sogar eine Spur sein, die in die Irre führt. Aber wir ziehen noch keine Schlußfolgerungen. Noch nicht, nicht einmal provisorische. Wir machen weiter und lassen Frau Tademans Hinweis zunächst auf sich beruhen.«
Stefan Lindman berichtete von dem Treffen mit Hakan Holmberg und seinen Schlüsseln. Daß Linda dabeigewesen war, erwähnte er nicht.
»Der Mann mit dem Akzent«, sagte Wallander. »Unsere norwegische connection. Oder unsere norwegischdänische connection. Hier taucht er wieder auf. Wir können davon ausgehen, daß es die Kirchenschlüssel von Frennestad und Hurup waren.«
»Das wissen wir schon«, warf Nyberg ein. »Wir haben sie verglichen.«
Es wurde still im Raum.
»Ein Norweger bestellt Kirchenschlüssel«, sagte Kurt Wallander. »Eine Amerikanerin wird in einer Kirche erdrosselt. Von wem und warum? Darauf brauchen wir eine Antwort.«
Er wandte sich an Ann-Britt Höglund. »Was sagen unsere dänischen Kollegen über den Mann mit Namen Vigsten?«
»Er ist Klavierlehrer. Er hat früher als Repetitor an der Königlichen Oper gearbeitet und war offenbar sehr tüchtig und beliebt. Jetzt scheint er in zunehmendem Maße in einem Dämmerzustand zu leben, und es fällt ihm immer schwerer, allein zurechtzukommen. Aber niemand weiß etwas davon, daß jemand in seiner Wohnung lebt, und er selbst am wenigsten.«
»Und Larsen?«
»Er bleibt bei seinem Geständnis.«
Kurt Wallander warf seiner Tochter einen schnellen Blick zu, bevor er fortfuhr. »Bleiben wir in Dänemark«, sagte er. »Diese Frau, Sylvi Rasmussen, was wissen wir über sie?«
Martinsson suchte in seinen Papieren. »Sie hieß anders, als sie nach dem Zusammenbruch im Osten als Flüchtling nach Dänemark kam. Drogenmißbrauch, die Straße, das altbekannte Lied, wie man in die Prostitution abrutscht. Sie war bei Kunden und Freunden anscheinend beliebt. Keiner hat etwas Schlechtes über sie gesagt. Es findet sich nichts Bemerkenswertes in ihrem Leben, außer daß es eine aussichtslose Tragödie war.«
Martinssons Blick glitt noch einmal über die Papiere, bevor er sie zur Seite legte. »Keiner weiß, wer ihr letzter Kunde war. Aber wir können davon ausgehen, daß er ihr Mörder war.«
»Hatte sie keinen Terminkalender?«
»Nein. Man hat die Fingerabdrücke von zwölf verschiedenen Personen in ihrer Wohnung gefunden. Sie werden noch untersucht, und wenn etwas Interessantes dabei ist, melden die Kollegen sich.«
Linda merkte, daß ihr Vater das Tempo vorantrieb. Er versuchte unermüdlich, die Informationen, die auf den Tisch kamen, zu deuten und zu interpretieren. Nichts nahm er gleichgültig auf, er suchte bewußt nach versteckten Botschaften, die nicht gleich sichtbar wurden.
»Die Frau in der Kirche«, sagte er. »Es sind ergänzende Informationen von unseren äußerst hilfsbereiten Kollegen in Tulsa eingegangen. Clark Richardson übertrifft sich weiterhin selbst. Er schickt uns pausenlos Faxe und Mails. Schade nur, daß bisher nichts dabei ist, was uns weiterbringt. Wie und warum sie in einer unserer Kirchen gelandet und dort erdrosselt worden ist, können wir immer noch nicht sagen.«
Er gab das Wort frei. Linda war die einzige, die sich nicht äußerte. Nach einer halben Stunde machten sie eine kurze Pause, um frische Luft hereinzulassen und Kaffee zu holen. Linda wurde schnell zur Fensterwache ausersehen.
Ein Windstoß wehte einige
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