Vor dem Frost
haben?« wollte Lisa Holgersson wissen.
Kurt Wallander sah Ann-Britt Höglund an.
»Noch keine Antwort«, sagte sie.
»Schlußfolgerungen«, sagte Wallander und machte mit einem Blick auf seine Armbanduhr klar, daß die Besprechung ihrem Ende zuging. »Zu früh, aber es ist nötig, daß wir auf zwei Seiten gleichzeitig angreifen. Möglich, daß alles zusammenhängt, möglich, daß es das nicht tut. Aber daß die erste Alternative der Ausgangspunkt ist. Wir haben es mit Menschen zu tun, die etwas planen und durchführen, was an der Oberfläche wie der reine Wahnsinn aussieht, vielleicht aber nicht für die Täter. Opfer, Brände, Ritualmorde. Ich denke an diese Bibel, da sitzt einer und ändert den Text. Es ist leicht zu rufen: Das ist ein Verrückter. Vielleicht stimmt das nicht. Ein bewußter Plan, bewußte Menschen, aber mit verdrehten und unbegreiflich brutalen Verhaltensweisen ihren Mitmenschen gegenüber. Ich habe außerdem immer stärker das Gefühl, daß wir nur wenig Zeit haben. Das Geschehen unterliegt einer Temposteigerung, es beschleunigt sich. Jetzt müssen wir Zebra finden. Und mit Anna Westin reden.«
Er wandte sich an Linda. »Ich dachte, du könntest sie herholen. Zu einem freundlichen, aber notwendigen Gespräch. Weil wir alle uns wegen Zebras Verschwinden Sorgen machen.«
»Wer kümmert sich um den Jungen?« Ann-Britt Höglund richtete die Frage direkt an Linda. Ausnahmsweise wirkte sie einmal nicht schnippisch.
»Eine Nachbarin, die öfter auf ihn aufpaßt.«
Kurt Wallander knallte die Handfläche auf die Tischplatte zum Zeichen des Aufbruchs. »Torgeir Langaas«, sagte er, als er aufgestanden war. »Macht den norwegischen Kollegen ein bißchen Dampf. Und wir anderen suchen nach Zebra.«
Zusammen mit ihrem Vater ging Linda in den Eßraum und trank Kaffee. Nach einer Viertelstunde hatten sie noch kein Wort miteinander gesprochen.
Das Schweigen wurde gebrochen, als Svartman sich zu ihnen an den Tisch setzte.
»Västeras hat Fingerabdrücke gefunden, die mit Eslöv übereinstimmen. Möglicherweise gibt es auch identische Reifenspuren. Also nicht zwischen Västeras und Eslöv, sondern zwischen Sölvesborg und Trelleborg. Ich dachte, du würdest das wissen wollen.«
»Das will ich ganz und gar nicht. Ich weiß nicht einmal, wovon du redest.«
Svartman sah unglücklich aus. Linda wußte nur zu gut, daß ihr Vater ein Ekel sein konnte, wenn er schlechter Laune war.
»Das Dynamit«, sagte Svartman. »Die Diebstähle.«
»Dafür hab ich jetzt keine Zeit. Gibt es sonst niemand, der die Sache in die Hand nehmen kann?«
»Ich hab sie in der Hand. Du hast selbst gesagt, daß du informiert werden wolltest.«
»Hab ich das? Das hab ich vergessen. Aber dann weiß ich ja, daß die Sache läuft.«
Svartman stand auf und ging.
»Wovon redet er?«
»Wir hatten vor etwa einem Monat eine Reihe anscheinend organisierter Dynamitdiebstähle. Noch nie ist in Schweden auf einmal soviel Dynamit gestohlen worden. Das ist alles.«
Sie gingen in sein Büro. Nach zwanzig Minuten klopfte Martinsson an die Tür und riß sie im selben Moment auf.
Er fuhr zurück, als er sah, daß Linda im Zimmer war. »Entschuldigung.«
»Was gibt's denn?«
»Ture Magnusson ist hier, um das Tonband anzuhören.«
Linda sah, wie ihr Vater vom Stuhl hochschoß. Er griff sie am Arm und zog sie mit sich. Ture Magnusson wirkte nervös. Martinsson ging, um das Band zu holen. Weil ihr Vater ein Gespräch von Nyberg bekam und sich sofort mit ihm über ›verlorene Bremsspuren‹ zu streiten begann, mußte Linda sich des nervösen Grundstücksmaklers annehmen.
»Haben Sie diesen Norweger gefunden?«
»Nein.«
»Ich bin keineswegs sicher, daß ich die Stimme wiedererkenne.«
»Das erwartet auch keiner von ihnen. Wir können nur hoffen.«
Das Telefongespräch war beendet. Im selben Moment kam Martinsson zurück. Er wirkte bedrückt. »Das Band muß noch hier sein«, sagte er. »Im Archiv ist es nicht.«
»Hat es keiner zurückgebracht?« fragte Wallander gereizt.
»Ich nicht«, sagte Martinsson. Er suchte im Regal hinter den Tonbandgeräten.
Linda sah, wie ihr Vater den Kopf in die Tür der Alarmbereitschaft steckte. »Uns fehlt ein Band«, brüllte er. »Kann uns hier vielleicht jemand helfen?«
Ann-Britt Höglund kam dazu. Aber keiner fand ein Band. Linda sah ihren Vater röter und röter im Gesicht werden.
Aber nicht er explodierte schließlich, sondern Martinsson.
»Wie soll man verdammt noch mal vernünftige Polizeiarbeit
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