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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hinhielt.
    »Zacharias«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob sie abgeschlossen hat.«
    Die Küche war unaufgeräumt. In der Spüle stapelten sich schmutziges Geschirr, Besteck und Töpfe. Wie kann sie in einem solchen Dreck leben, dachte Linda. Sie drückte die Türklinke, die Tür war unverschlossen. Zacharias stand in der Küchentür und starrte sie an. Sie fühlte sich unwohl. Sein Blick war lüstern. Sie öffnete die Tür.
    Zacharias tat einen Schritt in die Küche. Er setzte eine Brille auf, als wollte er sie mit dem Blick näher an sich ziehen. »Sie mag es nicht, wenn jemand in ihr Zimmer geht.«
    »Ich bin eine ihrer engsten Freundinnen. Wenn sie nicht wollte, daß ich hineinginge, hätte sie die Tür abgeschlossen.«
    »Und woher soll ich wissen, daß du ihre Freundin bist?«
    Linda verspürte eine wachsende Lust, den übelriechenden jungen Mann aus der Küche zu schubsen. Doch sie beherrschte sich. Sie ging nicht ins Zimmer. »Wann hast du sie zuletzt gesehen?«
    Er machte einen Schritt zurück. »Ist das hier eine Art Verhör?«
    »Ganz und gar nicht. Ich habe nur versucht, sie anzurufen. Ich erreiche sie nicht.«
    Er starrte sie weiter an. »Wir können uns ins Wohnzimmer setzen«, sagte er.
    Sie folgte ihm. Das Wohnzimmer stand voll mit abgenutzten Möbeln, die nicht zusammenpaßten. An einer Wand hing ein zerrissenes Plakat mit dem Kopf Che Guevaras, an einer anderen eine Stickerei mit dem Spruch › Trautes Heim, Glück alleinc. Zacharias setzte sich an einen Tisch, auf dem ein Schachspiel stand. Linda setzte sich auf die andere Seite des Tischs, so weit von ihm weg wie möglich.
    »Was studierst du?« fragte sie.
    »Ich studiere nicht. Ich spiele Schach.«
    »Kann man davon leben?«
    »Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß ich nicht ohne leben kann.«
    »Ich weiß nicht einmal, wie man die Figuren bewegt.«
    »Wenn du willst, kann ich es dir zeigen.«
    Nein, dachte Linda. Ich will so schnell wie möglich raus hier. »Wie viele seid ihr hier?«
    »Das wechselt. Im Moment sind wir vier. Margareta Olsson studiert Betriebswirtschaft, ich spiele Schach, Peter Engbom will Physiker werden, hat sich aber im Augenblick in die Religionsgeschichte verbissen, und Anna.«
    »Die Medizin studiert«, sagte Linda.
    Die Bewegung war beinah unmerklich, aber sie nahm sie dennoch wahr. Er war verwundert. Gleichzeitig fiel ihr der Gedanke ein, der sie am Vortag beunruhigt hatte.
    »Wann hast du sie zuletzt gesehen?«
    »Ich habe ein schlechtes Gedächtnis. Es kann gestern gewesen sein oder vor einer Woche. Ich lese gerade eine Studie von Capablancas virtuosesten Endspielen. Manchmal glaube ich, es wäre möglich, eine Form zu finden, um Schachzüge mit Noten zu transkribieren. Dann wären Capablancas Partien wie Fugen oder große Messen.«
    Noch ein Irrer, der sich mit unspielbarer Musik beschäftigt, dachte Linda. »Klingt interessant«, sagte sie und stand auf. »Ist jemand von den anderen da?«
    »Nein. Ich bin allein.«
    Sie kehrte in die Küche zurück. Er kam ihr nach. Sie blieb stehen und sah ihm fest in die Augen.
    »Ich gehe jetzt in Annas Zimmer, egal, was du sagst.«
    »Ich glaube nicht, daß ihr das gefallen würde.«
    »Du kannst ja versuchen, mich daran zu hindern.«
    Er stand unbeweglich in der Küchentür und starrte sie an, als sie die Tür von Annas Zimmer aufmachte. Es war eine ehemalige Dienstmädchenkammer, klein und eng. Es gab ein Bett, einen kleinen Schreibtisch und ein Bücherregal. Linda setzte sich aufs Bett und sah sich um. Zacharias tauchte in der Tür auf. Linda bekam plötzlich das Gefühl, daß er sich auf sie stürzen wollte. Sie stand auf. Er tat einen Schritt zurück, ließ sie aber nicht aus den Augen. Ihr war, als habe sie Flöhe unterm Hemd. Sie wollte die Schreibtischschubladen herausziehen. Aber solange er da stand und starrte, mochte sie nicht. Sie konnte es genausogut aufgeben. »Wann kommt jemand von den anderen?«
    »Ich weiß nicht.«
    Linda machte die Tür hinter sich zu und ging in die Küche. Er zog sich zurück, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Er lächelte. Dabei öffnete er den Mund und zeigte zwei Reihen gelber Zähne. Linda wurde übel. Sie mußte so schnell wie möglich raus hier.
    »Ich zeig dir gern, wie man Schach spielt«, sagte er.
    Sie öffnete die Haustür und trat auf die Treppe hinaus. Dann faßte sie sich ein Herz und drehte sich zu ihm um: »Ich an deiner Stelle würde mal unter die Dusche gehen«, sagte sie, wandte sich um und ging zum Gartentor.
    Sie

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