Vor Jahr und Tag
Mutter? Stand sie noch in Kontakt mit ihm?« Marc strich ihr das Haar aus dem Gesicht, küßte sie auf die Stirn und zog sie enger an sich, als könne er ihr gar nicht nahe genug sein.
»Öfters als ich schon. Als ich größer wurde, weigerte ich mich, ihn zu sehen, wenn er für ein paar Tage hereinschneite, gewöhnlich, wenn er pleite war, wenn auch nicht sehr oft. Sie hat mir nicht viel über die Anrufe erzählt, weil sie wußte, wie wütend mich das immer machte.«
»Hatte er seit ihrem Tod mal angerufen?«
»Wenn, dann hat er nicht auf den Anrufbeantworter gesprochen, aber das würde er sowieso nie tun.« Eine Erinnerung tauchte auf, hervorgerufen durch seine Fragen. Marc dachte wie ein Cop, er sah die Dinge aus einem ganz anderen Blickwinkel, einem, der ihr nicht in den Sinn gekommen wäre. »Moment mal. Sie starb Ende Januar. Ein paar Wochen später bekam ich ein Paket von ihm, das an sie adressiert war. Ich war noch immer krank vor Kummer zu der Zeit, und dieses Paket von ihm machte mich so zornig, weil sie ihn ihr ganzes Leben lang geliebt hat, und er wußte nicht mal, daß sie tot war. Ich hätte das Päckchen beinahe weggeworfen.«
Der muskulöse Arm unter ihrem Kopf verspannte sich merklich. »Hast du’s aufgemacht?«
»Ich hab’s aufgemacht, aber mir den Inhalt nicht so genau angesehen. Ich weiß noch, daß ein paar Papiere drin waren. Ich hab’s wieder zugemacht und zu den anderen Sachen getan, die ich wegpacken wollte.«
»Wo sind die Sachen? In deiner Wohnung?«
»Nein, dort ist nicht genug Platz. Ich hab einen Lagerraum gemietet. Das ist es, nicht wahr? Der Grund, warum er ermordet wurde, ist in diesem Päckchen zu finden.«
»Kann sein. Es ist ’ne Spur, und von denen haben wir weiß Gott nicht viele. Ich will zuerst mit McPherson reden.«
»Wer ist McPherson?« fragte sie ihn noch einmal. Seine erste Antwort war nicht sehr aufschlußreich gewesen. »CIA.«
»Willst du ihm von dem Päckchen erzählen?«
Er zögerte keine Sekunde. »Teufel, nein.«
»Dann vertraust du ihm also nicht ganz.«
»Ich kenne ihn nicht. Kann sein, daß er das ist, was er vorgibt zu sein. Ich werd ihm ein paar Brocken hinwerfen, mal sehen, was er mir dafür bietet, aber ich werd ihm sicher nicht sagen, daß du hier bei mir bist, und auch nichts über das Päckchen, bevor ich’s mir selbst angesehen hab.«
»Und was tun wir in der Zwischenzeit?«
»Na, was glaubst du wohl?«
17
»Ihre Leute sind inkompetente Schwachköpfe«, sagte Senator Lake kalt und ließ sich nichts von der eiskalten Angst anmerken, die seinen Magen wie eine Faust umkrallte. »Die Frau ist verschwunden, und Sie haben das Buch immer noch nicht gefunden. Dank Ihrer Stümperei könnte sie die darin befindlichen Informationen jederzeit gegen mich verwenden!«
Hayes schlug die Augen nieder. Er verteidigte sich nicht und machte keine Ausflüchte. Die blanke Wahrheit war, daß er seine Aufgabe nicht erfüllt hatte. Obwohl die Leute
die er einsetzte, normalerweise äußerst zuverlässig waren, waren die Dinge irgendwie schiefgegangen. Clancy war in die Wohnung eingebrochen, obwohl noch jemand zu Hause war, und die Frau hatte es irgendwie geschafft, sowohl die Bullen zu benachrichtigen, als auch aus der Wohnung zu kommen. Und jetzt war Clancy tot. Yamatanis Anschlag mit dem Auto war komplett fehlgeschlagen. Und nicht nur das, jetzt wußte die Whitlaw, daß jemand hinter ihr her war, und war untergetaucht. Es war ihm immer noch nicht gelungen, eine Spur von ihr zu finden. Das wäre natürlich möglich, aber nicht, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, und er war nicht bereit, sich für den Senator so weit vorzuwagen. Das letzte, was er wollte, war, das Augenmerk gewisser Leute auf sich zu lenken.
»Und was wollen Sie jetzt tun? Je mehr Leute Sie in die Sache hineinziehen, desto wahrscheinlicher wird das Auftreten eines Lecks, daran muß ich Sie wohl nicht erinnern.«
»Das sind alles Profis. Die reden nicht.«
»Aber als ganz zuverlässig haben sie sich auch nicht erwiesen, nicht wahr? Ich hätte gern ihre Namen, bitte. Ich befinde mich in keiner angenehmen Lage, diese Leute wissen etwas von mir, aber ich weiß überhaupt nichts von ihnen.«
»Sie wissen gar nichts«, versicherte ihm Hayes müde. »Senator, ich habe Sie vollkommen aus der Sache rausgehalten. Soweit es die anderen betrifft, endet die Sache bei mir.«
»Das behaupten Sie, aber Sie sind auch nicht ganz zuverlässig, Mr. Hayes. Sogar Ihre Informationen über Rick Medina haben sich
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