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Vor Nackedeis wird gewarnt

Vor Nackedeis wird gewarnt

Titel: Vor Nackedeis wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Charles
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Paris?« Sie hatte das Gefühl, daß es notwendig war, die komplizierten Familienverhältnisse der Bicquets etwas auseinander zu sortieren. Offensichtlich erstaunt antwortete Colette: »Aberr nein. Meine Vatterr lebt in Paris mit eine kleine Freundin.«
    Adele zuckte zusammen und antwortete: »Wie reizend.«
    Colette aß einen Löffel Suppe. »Aberr sischerr. Sie ist blonde mit serr schönne Haar. In derr Krieg ich sein eine Maschinengewerr.«
    »Mein Gott«, murmelte Adele.
    »Isch warr eine kleine Mädchen, aberr isch misch erinnerre genau. Ratatata. Le Boche, eh? Sie stürrzen aus derr Immel und tauchen. Ratatata! Meine Vaterr isst serr couragiert, ah, errr hätt Mutt! Err schütteln Fäuste gegen Boche. Err schüttelt Faust, bevorr err verrschwindet unterr seine Auto. Maman, meine Schwesterr und isch schon liegen unterr Auto. Wenisch Platz, so wirr drücken Maman weg.« Gierig aß Colette ihre Suppe. Sie war heiß. Sehr heiß. Colette verschluckte sich hoffnungslos, und ihr Gesicht lief rot an. Unkontrolliert spuckte sie.
    Gehässig sagte sie: »Merde!«
    Adele schaute traurig auf das einst so saubere Tischtuch. Sie atmete tief ein. Dann fragte sie freundlich: »Ach, sagen Sie mir doch einmal, welche Bedeutung hat das komische Wort eigentlich, das Sie dauernd benutzen?«
    Colette fragte: »Merde?«
    Adele nickte.
    Colette überprüfte im Geiste ihren sehr begrenzten, englischen Wortschatz, und suchte dabei nach einer geeigneten Übersetzung.
    Das richtige Wort fiel ihr ein.
    Sie deklamierte es laut und deutlich.
    Die tödliche Stille, die nunmehr folgte, wurde nur unterbrochen durch Bernies hoffnungslosen Versuch, über seiner Suppe nach Luft zu ringen.

    »Sagenhaft!« meinte Bernie, während er sich abends auszog. Aggressiv fügte er hinzu: »Lange Wollschlüpfer. Braucht eine Gouvernante und verfügt über eine viktorianische Vergangenheit. Ha, ha, ha!«
    Gefühlvoll erwiderte Adele: »Ich glaube fest daran, daß sie anständig ist. Ich meine damit, daß wir nicht deswegen annehmen müssen, Colette sei amoralisch oder unehrlich, weil ihr Vater ein Schwarzmarkthändler war und einer kleinen Freundin zusammenlebt.«
    Vorsichtig meinte Bernie;
    »Nein, natürlich nicht. Aber trotzdem vertritt sie grundsätz-. lieh eine andere als unsere Lebensauffassung. Und so etwas birgt große Gefahren in sich. Denk an meine Worte.« Den letzten Satz sprach er wie aus einer düsteren Ahnung heraus, und Adele fröstelte.
    Bernie fuhr unbarmherzig fort: »Die Tatsache, daß ihr Vater eine Freundin hat, stört mich überhaupt nicht. Was mich stört, ist vielmehr ihre schweigende Unterstellung, daß ich jedesmal, wenn ich aus dem Hause gehe, spitz auf ein Stelldichein sei.«
    Adele kicherte. »Ach, Bernie, dazu wärst du doch gar nicht fähig.«
    Ihre bessere Hälfte knöpfte den Schlafanzug zu und warf ihr einen eisigen Blick zu. »Warum denn nicht?« fragte er, »was stimmt denn mit mir nicht? Ich könnte an jedem Finger eine haben, aber die ganze Mühe lohnt sich doch überhaupt nicht.«
    Und auf diese Weise drehte Bernie, der ewige Adam, sein Versagen als Casanova in eine schätzenswerte Tugend um.
    »Ach, Unsinn«, sagte Adele. »Die einzige Frau außer mir, die jemals zweimal nach dir guckte, war dieses häßliche Mädchen im Zigarettenladen von Purley. Und sie schielte auch noch gräßlich.«
    Und so trampelte Adele, das ewige Weib, auf der Eitelkeit ihres Mannes mit beiden Füßen herum.
    Aber Taten reden oft eine deutlichere Sprache als Worte. Bernie knipste also das Licht aus, bevor sie damit fertig war, ihre Haare aufzudrehen. Seine Ehre war gerettet.

    Adele schleppte einen Liegestuhl auf die Terrasse, stellte ihn auf und setzte sich. Es war Samstagnachmittag. Den Morgen hatte sie damit verbracht, ein französisches Gericht für Colette zuzubereiten - anläßlich des ersten Wochenendes, das die kleine Französin in England verlebte. Dieses französische Gericht aber ließ
    nach Fertigstellung nicht den geringsten Schluß auf irgendeine Nationalzugehörigkeit zu. Colette hatte das Gericht mit gerümpfter Nase und einem undefinierbaren Gesichtsausdruck zu sich genommen.
    Bernie hatte dieses Essen »UNO-Vollversammlung« getauft und empfohlen, ein weiteres Gericht dieser Art »Weltsicherheitsrat« zu nennen.
    Jede Frau, die den ganzen Morgen in einer heißen Küche mit dem Versuch verbracht hat, ihren Mann und einen Gast zufriedenzustellen, und so widerlich angegangen wird, muß einfach für den Rest des Tages schlecht

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