Vor Schmetterlingen wird gewarnt (German Edition)
Anschließend suchte sie in einem anderen Schrank nach dem Tee und schaute über die Schulter zu ihrer Mutter. „Ist Monkey Picked Oolong in Ordnung? Oder möchtest du lieber grünen Tee?“
„Oolong klingt reizend.“
Ja, alles ist reizend, dachte Ava spöttisch. Bis auf das, was totaler Mist war.
Nein. Sie versuchte, eine andere Einstellung zu den Dingen zu bekommen. Es ist ja nicht ihre Schuld, dass ich mich erst wieder halbwegs gut fühlen werde, wenn ich die Gelegenheit bekommen habe, mit Cade zu sprechen. Ich muss ihn davon überzeugen, dass ich ihn mit seiner Liebeserklärung nicht so kalt abblitzen lassen wollte, denn das hat er nicht verdient.
Einen Moment später stand das Tablett mit der Kanne dampfenden, duftenden Tees, dem Sahnekännchen sowie zwei kleinen Teetässchen aus Miss Agnes’ Sammlung auf dem Frühstückstresen. Das erlesene Porzellanservice war Avas erste Wahl gewesen, als sie, Jane und Poppy sich etwas zur Erinnerung an die Zeit mit der alten Dame aus dem Nachlass aussuchten.
Gerade jetzt vermisste sie Miss Agnes besonders. Die alte Dame hatte stets gewusst, wenn Ava verwirrt, verängstigt oderverletzt war. Sie war der erste Mensch, zu dem Ava damals an jenem Tag nach der Begegnung mit Cades Clique in der Kantine der Highschool gegangen war. Miss Agnes konnte das, was passiert war, zwar nicht ungeschehen machen. Doch hatte Ava schon allein aus der Tatsache, dass Miss Agnes für sie da war, Trost gezogen. Bei der Erinnerung an die liebevolle tiefe Stimme der alten Dame, mit der sie Ava getröstet hatte, wurde ihr noch immer ganz warm ums Herz, obwohl sie sich an die Worte nicht mehr erinnern konnte.
Umso trauriger war es, dass ihre Mutter jetzt nur wenige Schritte von ihr entfernt saß und Ava nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie das Thema ansprechen sollte.
Selbst wenn sie es wüsste, würde sie vermutlich nichts sagen.
„Wollen wir uns ins Wohnzimmer setzen?“, schlug sie vor und folgte Jacqueline zum Sofa. Nachdem sie das Tablett auf den Couchtisch gestellt hatte, schenkte sie Tee ein, goss bei ihrer Mutter Milch dazu und reichte ihr Tasse und Untertasse. Mit ihrer Tasse in der Hand setzte Ava sich ans andere Ende des Sofas.
Eine Weile nippten sie schweigend an ihrem Oolong. Ava dachte darüber nach, wie sie sich am besten bei Cade entschuldigen sollte. Er sollte verstehen, wie sehr sie es bedauerte, diesen besonderen Augenblick zwischen ihnen vermasselt zu haben. Sie musste ihn davon überzeugen, dass sie seine Liebeserklärung nicht gering schätzte. Im Gegenteil, seine Worte lösten jetzt noch warme, sinnliche Schauer aus. Als ihre Mutter unvermittelt ihre Tasse auf die Untertasse und beides auf das Tablett auf dem Tisch stellte, erschrak Ava.
Jacqueline lehnte sich zurück und wandte sich ihrer Tochter zu. „Die Party gestern Abend war ein rauschender Erfolg“, erklärte sie.
„Ja, ich glaube, das lief ganz gut.“
„Oh, es war viel besser, meine Liebe. Meine Freundinnen hörten gar nicht mehr auf, vom Essen zu schwärmen, von der Dekoration, dem Service.“ Ein für ihre Verhältnisse ungewöhnlich zögerndes Lächeln erschien auf Jacquelines Gesicht. „Dubist wirklich erstaunlich. Und so talentiert. Ich glaube, das habe ich dir nicht oft genug gesagt.“
Ich bin mir nicht mal sicher, ob du das überhaupt jemals zu mir gesagt hast, dachte Ava. Dennoch konnte sie nicht leugnen, dass die Worte ihrer Mutter ihr guttaten. „Danke.“
„Ich hätte mir nie träumen lassen …“ Jacqueline verstummte plötzlich und räusperte sich. „Ich wollte sagen, dass es mir leidtut, falls ich dir je das Gefühl gegeben habe, du seist nicht gut genug.“
Ava war einigermaßen geschockt von den Worten ihrer Mutter. Ihre Nervenenden kribbelten. Sie war völlig perplex und, ja, so tief dankbar für diese Entschuldigung, dass sie beinah erwidert hätte, es sei schon in Ordnung.
Doch die Wahrheit lautete: Es war nicht in Ordnung. Sie stellte Tasse und Untertasse ebenfalls zurück auf das Tablett. „Warum ist es so wichtig für dich, dass ich dem gängigen Schönheitsideal entspreche? Jeder, der mich ansieht, weiß doch gleich, dass ich dafür einfach nicht geschaffen bin.“
Ihre Mutter betrachtete einen Moment lang ihre makellosen, polierten Nägel, ehe sie Ava wieder ins Gesicht sah. „Das ist erlerntes Verhalten, Liebes. Genau auf diese Weise hat meine Mutter mich als Teenager zum Abnehmen gebracht.“
Ava war vollkommen verdutzt. „Du warst fett?“ Wow, diese
Weitere Kostenlose Bücher