Vor Schmetterlingen wird gewarnt (German Edition)
Wachsamkeit.
„Nun, Cade“, meinte sie gedehnt und schlenderte lässig zu ihm. „Wer hätte gedacht, dass ein böser Junge wie du so viel mit meiner Mutter gemeinsam hat?“
15. KAPITEL
Manchmal scheint es keine Rolle zu spielen, dass ich weiß, was ich tun sollte. Ich tue trotzdem, was ich tun muss.
K ein Mann fand es prickelnd, mit der Mutter einer Frau verglichen zu werden. Aber Cade bedachte Ava mit dem ungezwungenen Lächeln, das er im Lauf der Jahre perfektioniert hatte, um seine wahren Gefühle zu verbergen. „Deine Mama hat sich auch unter der Zuschauertribüne versteckt?“
„Nein. Aber sie kriegte einen Anfall, als sie am 5.4.1994 nach Hause kam und feststellte, dass Poppy und ich mein Kleinmädchenzimmer in einem so dunklen Violett gestrichen hatten, dass es fast schwarz wirkte. Und meine Rüschendecke haben wir gleich mitgefärbt.“
Er musterte sie neugierig. „Du kannst dich an das genaue Datum erinnern, wann du dein Zimmer gestrichen hast?“
„Natürlich kann ich das. Es war der Tag, an dem Kurt Cobain gestorben ist. Ich musste etwas tun, um sein Andenken zu ehren.“ Ihre Wangengrübchen erschienen überraschend wieder. „Und ich muss sagen, nach dem neuen Anstrich kamen meine Nirvana-Poster super zur Geltung.“
Er betrachtete sie nachdenklich. „Wie kommt es eigentlich, dass ich nie wusste, dass du ein Kurt-Cobain-Groupie warst?“
„Keine Ahnung. Wahrscheinlich weil es für mich keine Rolle mehr spielte, nachdem wir in Physik ein Team waren und uns ein paarmal vernünftig unterhalten hatten, ohne uns verbal zu attackieren oder den anderen übertrumpfen zu wollen.“ Mit einem Schulterzucken wandte sie sich ab. „Aber wenn wir quatschen, kriege ich meine Arbeit nicht erledigt. Hier oben sind keine Kerzen, also versuche ich es mal im Esszimmer und in der Küche.“
Cade folgte ihr und gab sich Mühe, irgendwo anders hinzusehen statt auf den Schwung ihrer sexy Hüften. Vergeblich. Undals es ihm endlich gelang, den Blick höher wandern zu lassen, sah er ein Stückchen ihrer hellen Haut unter den weiten Maschen ihres Oberteils aufblitzen.
Natürlich würde er sich nicht selbst kasteien, weil ihm das aufgefallen war. Schließlich war er auch nur ein Mann, und sie hatte nun einmal hübsche Schultern, einen langen Rücken und eine schmale Taille. Und dann war da noch dieser Hintern. Fest und rund, einfach himmlisch. Wäre Cade etwas weniger weltgewandt, würde er beim Anblick ihres Rocks, der sich über diesem Po spannte, glatt einen trockenen Mund bekommen.
Er riss sich zusammen. Es brauchte schon mehr als einen aufregenden Körper, damit ihm die Zunge heraushing. Zumindest redete er sich das ein.
Er schaute sich noch einige Minuten im Wohnzimmer um, während Ava in der Küche suchte. Cade betrachtete in Ruhe die vielen Familienfotos an den Wänden. Je länger er diese Bilder studierte, desto mehr stutzte er.
Ava war nur auf sehr wenigen Fotos zu sehen. Da sie Einzelkind war, hätte man eigentlich erwarten können, dass überall im Haus Bilder von ihr hingen. Cade beugte sich vor, um die wenigen, auf denen sie zu sehen war, genauer zu betrachten. Eines fiel ihm besonders auf, obwohl es halb versteckt zwischen einigen anderen Bildern war.
Es handelte sich um ein Bild von ihm und ihr sowie einem weiteren Mädchen und einem anderen Jungen, die ihre Tanzschritte in einem dieser endlosen Tanzkurse übten, die sie als Kinder absolvieren mussten. Cade und der andere Junge posierten deutlich für die Kamera, während das Mädchen aussah, als würde es leise die Schrittfolge mitzählen. Ava hingegen hatte den entspannten Gesichtsausdruck von jemandem, der das Tanzen liebt – und es gut beherrscht. Zumindest kannte er sie so.
Auf diesem Foto jedoch … „Entgeht mir hier eigentlich etwas?“, rief er in die Küche.
„Das wäre nichts Neues“, antwortete sie und richtete sich hinter dem Tresen auf. „Was ist es denn diesmal?“
„Warum sind die Fotos von dir alle nur Porträts?“ Er hielt eines der gerahmten Bilder hoch. „Das hier wurde während einer Tanzstunde aufgenommen, als wir elf waren. Ich erinnere mich, dass irgendein alter Kerl herumging und Fotos machte, die er unseren Eltern verkaufte. Meine Mutter hat genau das gleiche Bild. Nur dass wir auf ihrem in voller Größe zu sehen sind, nicht nur die Köpfe. Das hier ist ja praktisch nachbearbeitet worden.“
Eine sanfte Röte kroch Avas Hals hinauf bis in ihre Wangen, sodass ihre Haut genauso leuchtete wie ihre Haare.
Weitere Kostenlose Bücher