Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
Vom Netzwerk:
war es im Haus, dass ich sogar die Worte verstand.
    »Nie werde ich Burg Falkenklau vergessen.«
    Phyllis Wyvern schaute sich wieder ihre eigenen Filme an.
    Die Musik schwoll an und verstummte.
    Unter mir wälzte sich jemand auf die andere Seite und fing an zu schnarchen. Ich erkannte Dieter. Er lehnte auf dem unteren Treppenabsatz halb sitzend am Geländer. Er war so schlau gewesen, sich einen höher gelegenen Schlafplatz auszusuchen, dort, wo es ein bisschen wärmer und der Boden nicht so kalt war wie die Fliesen in der Halle.
    Weiter unten hörte man Mrs Mullet schnaufen. Sie hatte den Arm liebevoll und ganz selbstverständlich um Alf gelegt.
    Ich schlich die Treppe hinunter und auf Zehenspitzen an dem schlafenden Dieter vorbei.
    Dort drüben an der Wand lag auch Cynthia Richardson, im Schlaf so entspannt wie ein Erzengel auf einer Postkarte. Ihr Gesicht glich dem Antlitz der Flora auf dem Gemälde von Botticelli. Ich hätte gern einen Fotoapparat gehabt, um diesen unerwarteten Anblick für alle Zeiten festzuhalten.
    Neben ihr lag der Vikar. Er runzelte im Schlaf die Stirn.
    »Nein, Hannah! Bitte nicht!«, murmelte er, und ich fürchtete schon, er sei aufgewacht.
    Wer ist Hannah?, fragte ich mich. Und wieso quält sie ihn im Schlaf?
    Oben wurde leise eine Tür geschlossen.
    Phyllis Wyvern, dachte ich. Für heute Nacht hat sie genug Filme gesehen.
    Mir kam eine großartige Idee.
    Warum nicht nachschauen, ob sie sich unterhalten wollte? Vielleicht fand sie, ebenso wie ich, nicht in den Schlaf?
    Vielleicht fühlte sie sich einsam. Wir könnten uns gemütlich über grausige Mordfälle unterhalten. So berühmt, wie sie war, hatte sie vielleicht keine richtigen Freunde, weil alle nur hinter ihrem Geld her waren. Oder sie waren lediglich darauf aus, damit anzugeben, dass sie dick mit Phyllis Wyvern befreundet waren.
    Womöglich hatte sie niemanden, mit dem sie über wirklich wichtige Dinge reden konnte.
    Abgesehen davon war es die vermutlich einmalige Gelegenheit, einen weltberühmten Filmstar ganz für mich allein zu haben  – und wenn es nur für ein paar Minuten war.
    Aber halt! Wenn sie nun müde war? Wenn sie immer noch nicht über ihren wüsten Gefühlsausbruch hinweg war, bei dem sie Gil Crawford geohrfeigt hatte? Würde sie mich etwa auch ohrfeigen? Ich spürte den brennenden Abdruck ihrer Hand schon fast auf der Wange.
    Trotzdem – wenn ich Feely erzählte, ich hätte eine Stunde vertraulich mit Phyllis Wyvern geplaudert, würde sie grün vor Neid werden.
    Damit war die Sache beschlossen.
    Ich bahnte mir einen gewagten kurvenreichen Weg zwischen den Schlafenden hindurch.
    Ich hatte schon den halben Weg zur Westtreppe zurückgelegt, als irgendwo ein Wasserklosett rauschte.
    Ich blieb wie angewurzelt stehen.
    Es war eine unerfreuliche Tatsache, dass das rachitische Rohrlabyrinth auf Buckshaw schon wesentlich bessere Tage gesehen hatte. Genau genommen war es schon zu der Zeit veraltet gewesen, als Königin Victoria noch auf dem Thron saß, falls dieses Bild in diesem Zusammenhang angebracht war.
    Immer dann, wenn hier eine Spülung betätigt oder dort ein Wasserhahn aufgedreht wurde, übertrugen sich gewaltige Erschütterungen und ein stöhnendes Ächzen bis in die entlegensten Winkel des Hauses, als handelte es sich um ein groteskes hydraulisches Nachrichtenübermittlungssystem aus einer anderen Ära.
    Um es ganz offen zu sagen: Niemand auf Buckshaw hatte Geheimnisse – zumindest nicht, was Abfluss und Abfuhr anging.
    Ich hielt die Luft an, bis das Dröhnen der Rohre zu einem fernen Knarren verebbt war. Ned, der an die Wand gelehnt schlief und die Beine von sich streckte wie eine Lumpenpuppe, stöhnte leise, und Mary, die mit dem Kopf auf seinen Knien lag, drehte sich im Schlaf um.
    Ich zählte sicherheitshalber bis hundert, ehe ich meinen Weg fortsetzte.
    Schon ging es die Westtreppe hinauf, immer eine Stufe nach der anderen, wobei ich beim Gehen mitzählte: zehn bis zum Absatz, dann noch einmal zehn bis zum Flur im Obergeschoss.
    Die dreizehnte Stufe von unten knarrte fürchterlich, darum machte ich einen großen Schritt darüber hinweg und zog mich am Geländer hoch.
    Der Flur lag im Dunkeln. Ich musste mich auf meinen Tastsinn verlassen. Die mit grünem Tuch bespannte Tür zur Nordseite öffnete sich geräuschlos.
    Diesen Teil des Hauses hatte Vater den Filmleuten zugewiesen. Die staubigen Tücher, die sonst über den Möbeln hingen, waren abgenommen und die zahlreichen Räume als Gästezimmer

Weitere Kostenlose Bücher