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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Doktor selbst nirgends zu entdecken.
    Als ich noch überlegte, was ich tun sollte, tauchte der Doktor unter der Treppe auf.
    »Das Telefon ist kaputt«, sagte er wie im Selbstgespräch. »Ich wollte Queenie anrufen und ihr Bescheid sagen, dass ich noch lebe.«
    Queenie war Dr. Darbys Frau. Ihre schlimme Arthritis fesselte sie schon seit Jahren an den Rollstuhl.
    »Stimmt. Mrs Richardson hat es gestern Abend schon probiert, wissen Sie nicht mehr?«
    »Doch, doch«, erwiderte er gereizt. »Ich hatte nicht mehr dran gedacht.«
    »Dogger lässt fragen, ob Sie mal zu ihm nach oben kommen könnten.« Ich wählte meine Worte sorgfältig – nicht dass uns einer der Schlafenden mit geschlossenen Augen belauschte. »Er braucht Ihren Rat.«
    »Dann bring mich mal zu ihm«, brummte Dr. Darby überraschend bereitwillig.
    »›… und mache meine Finsternis licht‹«, setzte er hinzu und angelte das erste Gletschereisbonbon des Tages aus seiner Westentasche.
    Ich führte ihn ins Blaue Zimmer, wo Dogger immer noch neben der Leiche hockte.
    »Soso, Arthur«, sagte Dr. Darby. »Schon wieder finde ich dich an einem Tatort vor.«
    Doggers Blick wanderte von mir zum Doktor und wieder zurück. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, dann ging er wortlos hinaus.
    »Wir sollten lieber die Polizei verständigen«, riet Dr. Darby, nachdem er Phyllis Wyverns Augen auf die gleiche Weise wie Dogger untersucht hatte. Außerdem befühlte er ihr schlaffes Handgelenk und legte den Daumen an den Kieferwinkel.
    »Ist das Leben aus ihr gewichen, Doktor?«, fragte ich. Diese Formulierung hatte ich aus einer Radiosendung mit Philip Odell, dem Privatdetektiv, und fand, dass sie sich viel professioneller anhörte als »Ist sie tot?«.
    Mir war natürlich klar, dass sie tot war, aber ich wollte mir meine eigenen Beobachtungen von einem Fachmann bestätigen lassen.
    »Allerdings«, antwortete Dr. Darby. »Sie ist tot. Und jetzt scheuchst du wohl am besten diesen Deutschen auf – Dieter heißt er, richtig? Er macht mir den Eindruck, als könnte er mit Skiern umgehen.«
     
    Eine Viertelstunde später stand ich mit Dieter in der Remise und half ihm, die Ski an seinen Stiefeln zu befestigen.
    »Haben die mal deiner Mutter gehört?«, fragte er.
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich.«
    »Das sind sehr gute Ski. Madshus. Die werden in Norwegen hergestellt. Jemand hat sie gut in Schuss gehalten.«
    Das muss wohl Vater gewesen sein, dachte ich. Er kam manchmal hierher und setzte sich in Harriets alten Rolls-Royce, als wäre der Wagen eine gläserne Kapelle aus einem Märchen.
    »Na schön«, sagte Dieter schließlich. »Dann wollen wir mal.«
    Ich folgte ihm bis zum Visto, wobei ich in meinen Gummistiefeln von Schneewehe zu Schneewehe stapfen musste. Als wir an der Mauer des Küchengartens vorbeikamen, sah ich ganz kurz ein Gesicht im Fenster auf der Fahrerseite eines Lastwagens. Es war Latshaw.
    Ich winkte, aber er erwiderte meinen Gruß nicht.
    Als der Schnee immer tiefer wurde, blieb ich stehen und sah Dieter nach, bis er nur noch ein winziger dunkler Punkt in der verschneiten Landschaft war.
    Erst als ich ihn nicht mehr erkennen konnte, machte ich mich auf den Rückweg in die Remise.
    Ich musste nachdenken.
    Dazu kletterte ich auf den Rücksitz von Harriets altem Rolls-Royce und legte mir eine alte Autodecke um die Schultern. Worte wie »warm« und »kuschelig« kamen mir verschwommen in den Sinn.
    Als ich wieder aufwachte, zeigte die Uhr des Phantom II halb sechs Uhr früh an.
     
    »Was in aller …«, sagte Mrs Mullet erstaunt, als ich in meiner Strickjacke von draußen in die Küche kam. »Du erfrierst mir noch!«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Ist mir egal«, sagte ich in der Hoffnung auf ein wenig Mitleid und vielleicht ein Stück Weihnachtskuchen, denn der gehörte zu den wenigen Speisen, die Mrs Mullet zu meiner vollsten Zufriedenheit zusammenrührte.
    Doch Mrs Mullet ignorierte mich. Sie lief geschäftig hin und her, stellte einen Riesenkessel Teewasser auf den Herd und schnitt laibeweise frisch gebackenes Brot in Toastscheiben. Die Ermordung von Phyllis Wyvern hatte sich ganz offensichtlich noch nicht herumgesprochen.
    »Gut, dass ich so viele Vorräte für Weihnachten angelegt habe, stimmt’s, Alf? Jetzt, wo ich eine ganze Armee durchfüttern muss! Die schlafen sich heute Morgen so richtig aus, als wären sie alle feine Lords und Ladys, da ist ihnen auch der harte Fußboden egal. Tja, so ist das mit dem Schnee: Ein paar Zentimeter, und

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