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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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alle sind aufgeschmissen.«
    Alf saß auf einem Stuhl und schmierte Marmelade auf ein Rosinenbrötchen.
    »Aufgeschmissen«, wiederholte er. »Du sagst es.«
    »Was bringt dir denn der Weihnachtsmann dieses Jahr?«, wandte er sich unvermittelt an mich. »Eine hübsche Puppe, könnt’ ich mir denken, mit Kleidern zum Wechseln, was?«
    Eine hübsche Puppe, von wegen! Für wen hielt er mich eigentlich?
    »Nein, ich habe mir einen Riggs-Generator und einen Satz Erlenmeyerkolben gewünscht«, antwortete ich. »Laborgläser kann man nie genug haben.«
    »Arrr«, erwiderte er, was immer das heißen mochte.
    Aber mit seiner Frage hatte mich Alf wieder daran erinnert, dass Sonntag war und am Abend der Weihnachtsmann kommen würde!
    Bevor ich mich das nächste Mal schlafen legte, würde ich das Dach von Buckshaw erklimmen, um mein Chemie-Experiment auf den Weg zu bringen.
    »Morgen, Kinder, wird’s was geben«, sang ich und spazierte wieder aus der Küche hinaus.
    Jenseits der Küchentür herrschte das blanke Chaos. Insbesondere in der Halle sah es aus wie in einem Theater im Londoner West End während der Pause: Horden von Menschen taten so, als unterhielten sie sich prächtig, und alle redeten gleichzeitig aufeinander ein.
    Für jemanden mit meinem empfindsamen Gehör war der Geräuschpegel fast unerträglich. Ich musste sofort hier weg. Die Polizei würde wahrscheinlich erst in ein paar Stunden eintreffen. Damit blieb mir noch reichlich Zeit, um letzte Hand an meine Vorbereitungen für den Weihnachtsabend zu legen.
     
    Schon lange bevor Vater seinen Vertrag mit Ilium Films unterschrieben hatte, war mir die Idee mit dem Feuerwerk gekommen. Ursprünglich hatte ich geplant, es auf dem Dach von Buckshaw abzubrennen, eine prächtige Vorstellung, die man noch in Bishop’s Lacey sehen würde: mein Weihnachtsgeschenk an das Dorf sozusagen – ein Geschenk, über das man noch sprechen würde, wenn der Weihnachtsmann längst wieder in sein frostiges Zuhause am Nordpol davongeflogen war.
    Ich würde Feuerkaskaden in den Nachthimmel schießen, die jedes Polarlicht in den Schatten stellen sollten: kunstvoll ausgeklügelte Schirme aus heißem und kaltem Feuer in allen dem Menschen bekannten Farben. Dafür würde die Chemie schon sorgen!
    Der Plan hatte sich im Laufe der Monate zu einem Projekt entwickelt, mit dem ich den bärtigen alten Burschen selbst zu fangen gedachte, und zwar hauptsächlich, um die grausamen Sticheleien meiner doofen Schwestern ein für alle Mal zu entkräften.
    Als ich jetzt die Zutaten vorbereitete, kamen mir allerdings Bedenken. Mir dämmerte jetzt, dass es womöglich unschicklich war, mit einer Leiche im Haus ein Freudenfeuerwerk abzuschießen. Obwohl Phyllis Wyverns sterbliche Überreste um die Zeit, da uns der Weihnachtsmann seinen Besuch abstattete, höchstwahrscheinlich fortgebracht sein würden, wollte ich nicht als unsensibler Klotz dastehen.
    »Heureka!«, rief ich aus, als ich die aus dem Treibhaus geborgten Blumentöpfe in Reih und Glied aufstellte. »Ich hab’s!«
    Ich würde eine gigantische Gedenkrakete zu Ehren von Phyllis Wyvern basteln – ein überwältigendes, ohrenbetäubendes Finale zum Abschluss der Vorstellung!
    Die Formel dafür lieferte mir ein Chemiker mit dem wunderbaren Namen Mr Bigot. Sein Buch stand in Onkel Tars Bibliothek. Man musste dem Grundrezept nur noch eine Portion Antimon und eine Handvoll Eisenspäne hinzufügen.
    Zwanzig Minuten Beschäftigung mit einer Feile und einem Warmwasserheizkörper hatten mir zu einer dieser Zutaten verholfen – die andere befand sich in einer Flasche in Reichweite.
    Mehrere Schichten Wachspapier und eine Pappröhre ergaben eine hervorragende Ummantelung, und ehe man »Kawumm!« sagen konnte, war die Rakete fertig.
    Da nun die Nachspeise vorbereitet war, machte ich mich zügig an die Hauptspeise. Das war der gefährlichere Teil, und ich musste bei jedem Schritt höllisch aufpassen.
    Wegen der Explosionsgefahr musste das Kaliumchlorat mit allergrößter Sorgfalt in einer Schüssel gemischt werden, in der keine Funken entstanden.
    Zum Glück fiel mir das Salatschüssel-Set aus Aluminium ein, das Tante Felicity Feely zum Geburtstag geschenkt hatte.
    »Mein liebes Mädchen«, hatte sie gesagt, »du bist jetzt achtzehn Jahre alt. In ein paar Jahren – vier oder fünf, wenn du Glück hast – werden dir die ersten Zähne ausfallen, und du wirst dich dabei ertappen, wie du bei Harrods nach den Korsetts schielst. Du musst dich ranhalten, sonst

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