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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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mein Ernst, aber versuchen konnte man’s ja mal. Geld bedeutete für Daffy Bücher, und obwohl es in der Bibliothek auf Buckshaw mehr Bände als in der Leihbücherei von Bishop’s Lacey gab, reichte das meiner Schwester noch lange nicht.
    »Bücher sind für mich wie Sauerstoff für einen Tiefseetaucher«, hatte sie mal gesagt. »Ohne Bücher kann ich anfangen, die Bläschen zu zählen.«
    Am Zucken ihrer Mundwinkel erkannte ich, dass sie an meinem Angebot interessiert war.
    »Meinetwegen – zwei Drittel!«, sagte ich. Wenn man es sowieso nicht ernst meint, kann man den Einsatz jederzeit erhöhen.
    »Falls es sich um jemand Bedeutenden handelt«, sagte sie mit der Nase im Buch, »würde ich in Burkes Adelsverzeichnis nachschlagen.«
    »Und wenn es sich nicht um jemand richtig Bedeutenden handelt? Sondern um jemanden, der einfach nur bekannt ist?«
    »Dann im who’s who. « Sie zeigte auf die Bücherschränke. »Macht drei Pfund, zehn Schilling und sechs Pence, bitteschön. Sobald die Straßen frei sind, gehe ich höchstpersönlich mit dir zum Postamt, damit du keine krummen Dinger drehst.«
    »Vielen Dank, Daff«, sagte ich. »Du bist echt pfundig.«
    Aber sie war schon wieder bis über beide Ohren im Dickens versunken.
    Ich schlenderte zu den Schränken hinüber. Who’s who kam mir irgendwie bekannt vor. Obwohl ich noch keinen der Bände aufgeschlagen hatte, wusste ich, dass die dicken roten Schwarten, deren Einträge bis weit ins vorige Jahrhundert zurückreichten, zur Bibliothekslandschaft von Buckshaw gehörten.
    Aber schon vom Weitem bekam ich einen Schrecken. Eine große Lücke rechts im zweiten Regal offenbarte, dass mehrere Bände fehlten.
    »Wo sind denn die 1930er- und 1940er-Jahre geblieben?«, fragte ich.
    Daffys Antwort bestand aus fortgesetztem Schweigen.
    »Komm schon, Daff. Es ist wirklich sehr wichtig.«
    »Wie wichtig?«, fragte sie, ohne aufzublicken.
    »Alles.«
    »Wie – alles?«
    »Alles, was auf meinem Postsparbuch drauf ist.«
    »Alles?«
    »Alles. Die ganze Summe.« (Vergleiche die vorige Anmerkung über erhöhte Einsätze.)
    »Versprochen?«
    »Großes Indianerehrenwort! Wenn nicht, soll ich auf der Stelle tot umfallen.«
    Ich bekreuzigte mich demonstrativ und sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass ich so lange leben würde wie der alte Tom Parr, dessen Grab wir in der Westminster Abbey besichtigt hatten. Er war glatte einhundertzweiundfünfzig Jahre alt geworden.
    Daffy streckte gelangweilt den Zeigefinger aus.
    »Unterm Sofa.«
    Ich ließ mich auf die Knie fallen und langte unter die geblümten Rüschen.
    Aha! Als ich die Hand wieder hervorzog, hielt sie die 1946er-Ausgabe des who’s who umschlossen.
    Ich setzte mich mit dem Buch in eine Ecke, wo ich es auf meinen Schoß legte und aufschlug.
    Die Ls fingen erst nach fast sechshundert Seiten an, ungefähr in der Mitte des Buches: La Brash, Ladbroke, Lamarsh, Lambton  … ja, da war’s! – Lampman, Lorenzo Angenieux, gb. 1866, vh. Phyllida Grome, 1909, eine T. Phyllida Veronica, gb.1910, ein S. Waldemar Anton, gb. 1911.
    Die Abkürzungen waren nicht allzu schwer zu entschlüsseln: gb. hieß »geboren«, vh. hieß »verheiratet« – S. und T. musste »Sohn« und »Tochter« bedeuten.
    Es stand noch mehr da. Erst ging es endlos um Lorenzo Lampmans Ausbildung (Bishop Laud College), seinen Militärdienst (Königlich Walisische Füsiliere), darum, in welchen Klubs er Mitglied war (Boodles, Carrington’s, Garrick, White’s, Xenophobe), und um seine Auszeichnungen (D.S.C. und M.M.). Er hatte seine Memoiren unter dem Titel Mit Bogen und Flinte bis zur Kalahari verfasst und war 1912 beim Untergang der Titanic gestorben, auf den Tag ein Jahr nach der Geburt seines Sohnes Waldemar Anton.
    Bei dem jungen Waldemar konnte es sich nur um Val Lampman handeln, was wiederum hieß, dass der Regisseur, trotz seines gnomenhaften Aussehens, nicht älter als neununddreißig war.
    Er und Phyllis Wyvern waren also Geschwister – und sie war vierzig, nicht neunundfünfzig!
    Hatte ich’s mir doch gleich gedacht, dass mit ihrem Alter etwas nicht stimmte.
    Ich blätterte rasch weiter zu den Ws – obwohl mich Daffy gewarnt hatte, dass das who’s who nicht viel für Schauspieler übrighatte.
    Wyverns waren keine verzeichnet, bis auf einen Sir Peregrine, den Letzten seines Geschlechts, der 1772 bei einem Duell mit seinem Hutmacher gestorben war.
    Sicherheitshalber blätterte ich noch ein paar andere Bände durch, aber dort stand so ziemlich dasselbe

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