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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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her: »Oh, eine Sternschnuppe! Und da noch eine!«
    »Wo?«, fragte Boyd Carrington. »Wir müssen uns etwas wünschen.«
    Er trat auf den Balkon hinaus, wo sich Elizabeth Cole und Norton schon zu Judith gesellt hatten. Auch Schwester Craven folgte ihnen. Zuletzt erhob sich Franklin und schloss sich ihr an. Sie standen draußen und schauten unter bewundernden Ausrufen zum Nachthimmel hoch.
    Ich blieb bei meinem Kreuzworträtsel. Weshalb sollte ich mir eine Sternschnuppe ansehen? Es gab nichts, was ich mir hätte wünschen können…
    Plötzlich kehrte Boyd Carrington ins Zimmer zurück.
    »Barbara, du musst auch rauskommen!«
    »Nein, ich kann nicht«, erwiderte Mrs Franklin abweisend. »Ich bin zu müde.«
    »Unsinn, Babs! Du musst dir etwas wünschen!« Er lachte. »Los, ich trage dich!«
    Mit diesen Worten bückte er sich und hob sie auf seine Arme. Sie protestierte lachend: »Bill, setz mich ab! Sei doch nicht so kindisch!«
    »Kleine Mädchen müssen sich etwas wünschen.« Er trug sie hinaus und stellte sie auf die Füße.
    Ich beugte mich tiefer über die Zeitung. Denn ich erinnerte mich… an eine sternklare Tropennacht, Fröschequaken… und eine Sternschnuppe. Ich hatte am Fenster gestanden, mich umgedreht, Cinders hochgehoben und hinausgetragen, damit sie die Sternschnuppen sehen und sich etwas wünschen könne…
    Die Linien des Kreuzworträtsels verschwammen mir vor den Augen. Eine Gestalt löste sich von der Gruppe auf dem Balkon und trat ins Zimmer – Judith.
    Sie durfte mich nicht mit Tränen in den Augen sehen. Das war nicht gut. Eilig drehte ich am Bücherständer und tat, als suche ich ein bestimmtes Buch. Ich erinnerte mich, einmal eine alte Shakespeare-Ausgabe bemerkt zu haben. Ja, richtig, da war sie! Ich zog sie heraus und blätterte in Othello.
    »Was suchst du denn, Vater?«
    Ich murmelte etwas von einem Kreuzworträtselproblem und schlug die Seiten um. Ja, es war tatsächlich Jago. Ich las laut:
     
    »›Oh, hütet, Herr, euch vor der Eifersucht,
    Dem grüngeaugten Scheusal, das besudelt
    Die Speise, die es nährt. ‹ «
     
     
    Judith fuhr mit einem anderen Zitat fort:
     
    »›Nicht Mandragora noch Mohn
    Noch alle Schlummersäfte der Natur
    Verhelfen je dir zu dem süßen Schlaf
    Der gestern dein noch war.‹«
     
    Sie sprach mit wohlklingender, warmer Stimme. Die anderen kamen lachend und redend herein. Mrs Franklin legte sich wieder auf das Sofa, und Franklin nahm seinen alten Platz ein und rührte in seiner Tasse. Norton und Elizabeth Cole tranken aus und entschuldigten sich dann, da sie versprochen hatten, mit den Luttrells Bridge zu spielen.
    Mrs Franklin leerte ebenfalls ihre Tasse und verlangte dann ihre »Tropfen«. Judith holte sie aus dem Bad, da Schwester Craven gerade das Zimmer verlassen hatte.
    Franklin wanderte ziellos auf und ab und stolperte dabei über ein kleines Tischchen. Seine Frau rief scharf: »Sei nicht so unbeholfen, John!«
    »Entschuldigung, Barbara! Ich habe gerade nachgedacht.«
    »Ein richtiger Bär bist du, Liebling«, sagte Mrs Franklin geziert.
    Er sah sie abwesend an. »Es ist ein so schöner Abend«, meinte er. »Ich glaube, ich werde einen Spaziergang machen.« Dann ging er hinaus. »Er ist wirklich ein Genie«, meinte Mrs Franklin. »Man merkt es an seiner ganzen Art. Ich bewundere ihn schrecklich! Die Arbeit ist seine einzige Leidenschaft!«
    »Ja, ja, ein kluger Kerl«, bemerkte Boyd Carrington obenhin.
    Judith verließ unvermittelt das Zimmer und stieß in der Tür mit Schwester Craven zusammen.
    »Wie wär’s mit einem Spiel Pikett, Babs?«, schlug Boyd Carrington vor.
    »O ja, fein! Können Sie uns Karten holen, Schwester?«
    Schwester Craven lief hinaus, um den Auftrag auszuführen, und ich bedankte mich bei Mrs Franklin für den Kaffee und wünschte ihr Gute Nacht.
    Draußen traf ich auf Franklin und Judith. Sie standen am Korridorfenster und sahen hinaus. Sie unterhielten sich nicht, sondern standen nur schweigend nebeneinander da.
    Franklin blickte über die Schulter, als ich mich näherte. Er machte zwei, drei Schritte, blieb zögernd stehen und fragte: »Kommen Sie auf einen Spaziergang mit, Judith?«
    Meine Tochter schüttelte den Kopf. »Heute Abend nicht.« Sie fügte unvermittelt hinzu: »Ich gehe zu Bett. Gute Nacht!«
    Ich begleitete Franklin hinunter. Er pfiff leise vor sich hin und machte ein fröhliches Gesicht.
    »Sie scheinen heute Abend mit sich zufrieden zu sein«, bemerkte ich übel gelaunt, denn ich fühlte mich

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