Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
Vorkosigan
Cordelia: »Worüber lachst du?«
»Ich lache nicht.«
»Deine Augen lachen. Sie funkeln ganz belustigt wirklich.«
»Ach, über den Doktor. Ich fürchte, unser gemeinsamer
Auftritt hat ihn ganz unabsichtlich auf falsche Gedanken
gebracht. Hast du das nicht mitbekommen?«
»Anscheinend nicht.«
»Er denkt, das Baby, das wir heute herausholten, sei meins.
Oder vielleicht deins. Oder vielleicht von uns beiden. Ich konnte praktisch sehen, wie sich in seinem Gehirn die Rädchen drehten. Er denkt, er sei endlich dahinter gekommen, warum du nicht den Verschluss geöffnet hast.«
»Grundgütiger.« Er setzte an, noch einmal zurückzugehen.
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»Nein, nein, lass nur«, sagte Cordelia. »Du machst es nur
noch schlimmer, wenn du versuchst, es abzuleugnen. Ich weiß das. Mir wurde schon vorher die Schuld für Botharis Sünden zugeschoben. Lass ihn einfach sich weiter wundern.« Sie verfiel in Schweigen. Vorkosigan betrachtete ihr Profil.
»was denkst du jetzt? Dein Funkeln ist verschwunden.«
»Ich frage mich nur, was mit ihrer Mutter geschehen ist. Ich bin sicher dass ich ihr begegnet bin. Langes schwarzes Haar, der Name Elena, auf dem Flaggschiff – das konnte nur eine gewesen sein. Unglaublich schön. Ich kann verstehen, warum sie Vorrutyer auffiel. Aber so jung schon mit dieser Art von Horror zu tun zu haben…«
»Frauen sollten nicht an Kämpfen teilnehmen«, sagte
Vorkosigan, grimmig und bedrückt.
»Männer auch nicht, meiner Meinung nach. Warum haben
eure Leute versucht, die Erinnerungen dieses Mädchens zu
tilgen? Hast du das befohlen?«
»Nein, das war die Idee des Sanitätsarztes. Er hatte Mitleid mit ihr.« Sein Gesicht war angespannt und seine Augen blickten in die Ferne.
»Das war die allerfurchtbarste Geschichte. Damals habe ich es nicht verstanden. Jetzt verstehe ich es, glaube ich. Als Vorrutyer mit ihr fertig war – und bei ihr hatte er sich selbst übertroffen, sogar nach seinen Maßstäben –, da befand sie sich in einem katatonischen Zustand. Ich… es war zu spät für sie, aber das war der Augenblick, wo ich beschloss, ihn umzubringen, falls so etwas noch einmal passierte, und dann, zum Teufel, mit dem Drehbuch des Kaisers. Erst Vorrutyer, dann den Prinzen, dann mich. Das hätte Vorhalas aus der Sache draußen gelassen…
Wie dem auch sei, Bothari – erbettelte sozusagen ihren
Körper von Vorrutyer und brachte sie in seine eigene Kabine.
Vorrutyer nahm an, Bothari wolle sie weiter foltern und
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missbrauchen und dabei ihn selbst nachahmen. In seiner
Eitelkeit fühlte er sich geschmeichelt und ließ die beiden allein.
Bothari manipulierte irgendwie seine Monitore. Niemand hatte die geringste Vorstellung, was er da drinnen trieb, jede Minute seiner dienstfreien Zeit Aber er kam zu mir mit einer Liste von Medikamenten, die ich ihm heimlich besorgen sollte.
Schmerzlindernde Salben, verschiedene Sachen für die
Behandlung von Schocks, wirklich eine gut durchdachte Liste.
Aufgrund seiner Kampferfahrung war er gut in erster Hilfe. Da ging mir auf, dass er sie nicht folterte, er wollte nur, dass Vorrutyer das dachte. Er war verrückt, nicht dumm. Er war verliebt, auf eine seltsame Weise, und er hatte den Mutterwitz.
Vorruryer das nicht erraten zu lassen.«
»Das klingt unter diesen Umständen ganz und gar nicht
verrückt«, bemerkte sie und erinnerte sich an die Pläne, die Vorrutyer mit Vorkosigan gehabt hatte.
»Nein, aber die Art und Weise, wie er es machte – ich bekam ein-oder zweimal einen kurzen Einblick.« Vorkosigan atmete heftig aus. »Er kümmerte sich um sie in seiner Kabine – fütterte sie, kleidete sie an, wusch sie –, und die ganze Zeit hielt er einen geflüsterten Dialog. Er stellte beide Seiten dar. Er hatte sich anscheinend eine wohl durchdachte Fantasie ausgearbeitet, in der sie in ihn verliebt war, tatsächlich verheiratet – ein normales, gesundes, glückliches Paar. Warum sollte ein Verrückter nicht davon träumen, geistig gesund zu sein? Es muss für sie während der Zeiten, wo sie bei Bewusstsein war, ein höllischer Schrecken gewesen sein.«
»Gott! Ich habe mit ihm fast so viel Mitleid wie mit ihr.«
»Nicht ganz. Er schlief auch mit ihr, und ich habe jeden
Grund zu der Annahme, dass er diese Fantasie vom
Verheiratetsein nicht bloß auf Worte beschränkte. Ich glaube, ich verstehe auch, warum. Kannst du dir vorstellen, dass Bothari unter normalen Umständen näher als hundert Kilometer an ein solches Mädchen herangekommen
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