Vorkosigan 07 Cetaganda
abgehört, und sie wußte es. Er unterdrückte jenen winzigen Teil seines Selbst, der gegen alle Vernunft auf die Tarnung durch eine Liebesaffäre gehofft hatte, und antwortete: »In der Tat, Mylady. Alle medizinischen Verfahren interessieren mich. Ich bin der Meinung, daß die Korrekturen meiner eigenen Schäden äußerst unvollkommen waren. Ich halte nach neuen Hoffnungen und Chancen Ausschau, wann immer ich eine Gelegenheit zum Besuch weiter fortgeschrittener galaktischer Gesellschaften habe.«
Er ging neben ihrer schwebenden Kugel her und versuchte, alle Biegungen und Wendungen ihrer Route im Kopf zu behalten, durch Bogengänge und andere Gebäude hindurch, doch es gelang ihm nicht. Er brachte ein oder zwei passend bewundernde Bemerkungen über die Szenerie heraus, an der sie vorüberkamen, damit ihr Schweigen nicht zu auffällig wäre.
Nach seiner Schätzung war er etwa einen Kilometer vom Büffet des Kaisers gegangen allerdings nicht in gerader Linie -, als sie zu einem langen, niedrigen weißen Gebäude kamen. Trotz der üblichen bezaubernden Gartenlandschaften, die es umgaben, stand unsichtbar „Biokontrolle“ auf der Fassade geschrieben, wenn man die Details der Fensterabdichtung und der Türschlösser betrachtete. Für die Luftschleuse mußte Rian einen komplizierten Code eingeben, doch als das System sie identifiziert hatte, lies es Miles unter ihrer Ägide ohne jeden Protest ein.
Sie führte ihn durch überraschend unlabyrinthische Korridore in ein geräumiges Büro, den sachlichsten und am wenigsten künstlerisch gestalteten Raum, den er bisher im Himmlischen Garten gesehen hatte. Eine ganze Wand war aus Glas und gewährte einen Blick auf einen langen Raum, der viel mehr mit Biolabors von galaktischem Standard gemeinsam hatte als mit dem Garten draußen. Die Form folgt der Funktion, und dieser Ort strotzte von Funktion: hier herrschte Zweckgerichtetheit, nicht die träge Bequemlichkeit der Pavillons. Im Augenblick war das Labor leer und abgeschaltet, abgesehen von einem Ba-Diener, der zwischen den Arbeitstischen herumging und akribisch irgendwelche Hausmeisterdienste versah. Natürlich - während der Trauerperiode für die Himmlische Herrin, die vermeintliche Herrscherin dieser Domäne, wurden keine genetischen Kontrakte der Haud bestätigt oder - vermutlich - ausgeführt. Das Motiv eines schreienden Vogels schmückte die Oberfläche einer Komkonsole und schwebte über den Schlössern einiger Laborschränke. Miles stand im Zentrum der Sternenkrippe.
Die Kugel ließ sich an einer Wand nieder und verschwand lautlos. Die Haud Rian Degtiar erhob sich von ihrem Schwebesessel.
Ihr ebenholzschwarzes Haar war in dicken Zöpfen hochgebunden, die nur bis zu ihrer Taille herabfielen. Ihre rein weißen Gewänder reichten nur bis zu den Waden, zwei einfache Schichten, die über einen weißen Bodysuit drapiert waren, der sie vom Hals bis zu den Zehen in den weißen Pantöffelchen bedeckte. Mehr Frau, weniger Ikone, und doch... Miles hatte gehofft, er würde, wenn er wiederholt der Wirkung ihrer Schönheit ausgesetzt worden war, vielleicht eine Immunität gegen ihre betäubende Wirkung entwickeln. Offenbar würde er ihr noch öfter konfrontiert werden müssen. Viel öft er. Viel mehr und mehr und - Hör auf.
Werde nicht noch idiotischer, als du eh schon sein mußt.
»Hier können wir reden«, sagte sie, glitt zu einem Stuhl neben dem Komkonsolenpult und ließ sich darauf nieder. Ihre einfachsten Bewegungen waren wie Tanz. Sie nickte in Richtung auf einen anderen Stuhl ihr gegenüber, und Miles schlurfte mit einem angestrengten Lächeln dorthin, wobei er sich eindringlich bewußt war, daß seine Stiefel kaum den Boden berührten.
Rian wirkte so direkt, wie die Frauen der Ghem-Generäle verschlossen waren. War die Sternenkrippe für sie eine Art psychologischer Energiekugel? Oder betrachtete sie ihn bloß für so untermenschlich, daß von ihm keinerlei Bedrohung ausging, für so unfähig, sie zu beurteilen, wie ein Schoßtier?
»Ich... hoffe, Sie haben recht«, sagte Miles, »aber wird das keine Nachwirkungen von seiten Ihrer Sicherheitsleute nach sich ziehen, wenn Sie mich hierher bringen?«
Sie zuckte die Achseln. »Falls sie es wünschen, können sie den Kaiser ersuchen, mir einen Verweis zu erteilen.«
»Sie können nicht... äh... Ihnen direkt einen Verweis erteilen?«
»Nein.«
Die Aussage war eindeutig und sachlich. Miles hoffte, daß sie dabei nicht übermäßig optimistisch war. Und doch... aus
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