Vorkosigan 13 Komarr
offensichtlich nicht so höflich neutral gegenüber seiner Gastgeberin, wie er es sich vorgestellt hatte, wenn dieser verdammte Wächter eine solche Bemerkung machen konnte, dass
Tuomonen zu seiner Liste peinlicher Fragen über die Koffer angeregt worden war.
»Brauchen Sie etwas, Mylord?« Die Stimme des
Wächters an der Tür riss Miles aus seinen Gedanken.
»Hm… ja. Wenn wieder einer Ihrer Burschen aus dem
Hauptquartier in Solstice kommt, dann lassen Sie ihn eine Standardbettrolle aus Militärbeständen mitbringen.«
Dann taumelte Miles einstweilen zum Sofa hinüber und rollte sich darauf zusammen. Binnen Minuten war er eingeschlafen.
380
Miles erwachte, als die beiden Erwachsenen mit Nikki zurückkamen. Er setzte sich auf und es gelang ihm, ziemlich gefasst zu wirken, als er sich dem Jungen gegen
übersah. Nikki wirkte bedrückt und erschrocken, aber er weinte nicht und benahm sich auch nicht hysterisch.
Offensichtlich kehrte er seine Reaktionen eher nach innen als nach außen. Wie seine Mutter.
Da Ekaterin keine Freundinnen hatte, die nach barrayaranischer Sitte Eintopf und Kuchen gebracht hätten, ließ Miles den KBS für das Abendessen sorgen. In Nikkis
Gegenwart hielten die drei Erwachsenen das Gespräch neutral; danach ging der Junge in sein Zimmer, um allein zu spielen, und Miles und der Professor zogen sich zum Informationsaustausch in das Studierzimmer zurück. Die neuen Gerätefragmente, die man im Orbit gefunden hatte, waren in der Tat eigenartig; dazu gehörten auch Einrichtungen zur Energieübertragung, die sogar für ein kleines Sprungschiff ausgereicht hätten; Teile davon waren
auseinander gerissen, geschmolzen und anscheinend in einem Plasmaschauer explodiert. Der Professor bezeichnete die Funde als »wirklich interessant«, und diese technische Chiffre weckte Miles’ volle Aufmerksamkeit.
Mitten im Gespräch meldete sich Oberst Gibbs über
KomKonsole. Er lächelte die beiden Kaiserlichen Auditoren frei heraus an. Miles erkannte allmählich, dass dieser Gesichtsausdruck Gibbs’ Version von Verzückung war.
»Mylord Vorkosigan. Ich habe die erste dokumentierte Verbindung, nach der Sie suchen. Wir haben die
Seriennummern eines Paars von Beschleunigungs381
konvertern, das Mylord Vorthys’ Leute im Orbit fanden, die ganze Kette bis zu einem Einkauf der AbwärmeAbteilung vor acht Monaten zurückverfolgt. Die Konverter wurden ursprünglich an die Abwärme-Versuchsstation
geliefert.«
»Ganz recht«, flüsterte Miles. »Endlich eine bessere Verbindung als nur Radovas’ Leiche. Jetzt haben wir die echte Strippe zu fassen bekommen, ganz recht. Danke, Oberst. Machen Sie weiter.«
382
15
Ekaterin schlief besser, als sie es
erwartet hatte, aber als sie erwachte, wurde ihr klar, dass sie den größten Teil des Vortags nur durch erhöhten Adrenalinausstoß durchgestanden hatte. Heute würde es mit dem erzwungenen Warten auf Taten schwieriger
werden. Ich habe neun Jahre gewartet. Ich kann auch noch neunzehn Stunden warten. Wenn sie weiter im Bett liegen blieb, würde sich allerdings nichts von allein zum Besseren wenden. Also stand sie auf, kleidete sich sorgfältig an, huschte an dem Wächter in ihrem Wohnzimmer vorbei,
machte Frühstück und wartete.
Kurz darauf erhoben sich auch die Auditoren und kamen dankbar zum Essen, trugen aber ihren Kaffee sogleich zu der gesicherten KomKonsole. Bald hatte sie nichts mehr abzuwaschen und ging auf den Balkon hinaus, doch sie merkte, dass die Anwesenheit einer dort postierten zweiten Wache sie daran hinderte, draußen zu verweilen. Also brachte sie den Wächtern Kaffee, zog sich wieder in ihre Küche zurück und wartete weiterhin.
Erneut tauchte Lord Vorkosigan auf. Er lehnte ihr
Angebot, ihm Kaffee nachzuschenken, ab und setzte sich stattdessen zu ihr an den Tisch. »Heute Morgen hat der KBS mir Tiens Autopsiebericht geschickt. Wie viel davon möchten Sie wissen?«
In Ekaterins Erinnerung erschien das Bild von Tiens 383
erstarrtem Körper, wie er in der Kälte hing. »Hat sich etwas Unerwartetes ergeben?«
»Nicht im Hinblick auf die Todesursache. Natürlich hat man seine Vorzohns Dystrophie gefunden.«
»Ja, der arme Tien. Er hat die ganzen Jahre in unterdrückter Panik wegen seiner Krankheit zugebracht, und jetzt ist er an einer völlig anderen gestorben.« Sie schüttelte den Kopf. »So viel Anstrengung, und so fehlgeleitet.
Konnte man erkennen, wie weit die Dystrophie schon
fortgeschritten war?«
»Die Nervenschädigungen waren
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