Vorkosigan 13 Komarr
taktischen Zeitpunkt geliefert hätte. Wie nahe waren sie denn schon daran, ihren Apparat in Betrieb zu setzen?
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Nahe genug, so schien es, dass selbst die Ankunft zweier unerwünschter Geiseln nicht mehr ausreichte, um sie abzulenken.
Tante Vorthys versuchte, aufrechter zu sitzen; Arozzis Blick war zu den Schachteln mit erkaltenden Speisen zu seinen Füßen zurückgekehrt.
Ekaterin stürzte sich vor, prallte gegen Arozzi und sauste weiter. Arozzi wirbelte hinter ihr herum, doch er wurde von einem blauen Stiefel vorübergehend abgelenkt, den Tante Vorthys mit überraschender Genauigkeit – wenn auch mit begrenzter Kraft – geschleudert hatte und der von seiner Schläfe abprallte. Soudha und Foscol sprinteten hinter Ekaterin her, aber sie schaffte es bis zu dem Feuermelder und riss den Hebel kräftig herunter, als Arozzis zittriger Betäuberstrahl sie traf. Diesmal schmerzte es stärker. Ihre Hände öffneten sich krampfartig und sie sank zu Boden. Der erste Ton der Sirene traf noch ihr Ohr, bevor Schock und Schwärze ihr das Bewusstsein raubten.
Als Ekaterin die Augen öffnete, sah sie das Gesicht ihrer Tante von der Seite. Sie erkannte, dass sie mit dem Kopf auf dem Schoß der Professora lag. Sie blinzelte und versuchte, sich über die Lippen zu lecken. Ihr Körper schmerzte, als wäre er mit Nadeln gespickt. Eine Woge von Übelkeit drehte ihr den Magen um, und sie bemühte sich, sich seitwärts zu drehen. Zwei, drei Spasmen
bewirkten jedoch nicht, dass sie sich übergab, und nach einem gedämpften Rülpser rollte sie sich wieder in die Ausgangsstellung. »Hat man uns befreit?«, murmelte sie.
Es kam ihr jedoch nicht so vor. Sie schienen auf dem 474
Boden einer winzigen Toilette zu sitzen, wo es kalt und hart war.
»Nein«, erwiderte die Professora voller Abscheu. Ihr Gesicht war angespannt und bleich. In der weichen Haut ihres Gesichts und am Hals waren rote Prellungen zu sehen. Ihr Haar hing in wirren Strähnen über die Stirn. »Sie haben mich geknebelt und uns beide hinter dieses Ding geschleift. Der Notfalltrupp der Station ist schon
gekommen, aber Soudha hat sich mit schnellem Gerede entschuldigt. Er behauptete, Arozzi sei zufällig gegen die Wand getaumelt, und er erklärte sich einverstanden, eine beträchtliche Strafgebühr für das Auslösen eines falschen Alarms zu zahlen. Ich versuchte ein Geräusch zu machen, aber es nützte nichts. Dann schlossen sie uns hier ein.«
»Oh«, sagte Ekaterin. »Verdammt.« Übersozialisiert, vielleicht, aber derbere Wörter schienen ebenso unzureichend zu sein.
»Genau, meine Liebe. Es war allerdings ein guter
Versuch. Einen Moment lang dachte ich, es würde funktionieren, und das dachten auch deine Komarraner. Sie waren sehr aufgeregt.«
»Damit wird der nächste Versuch schwieriger.«
»Sehr wahrscheinlich«, pflichtete ihr die Tante bei. »Wir müssen sorgfältig nachdenken, wie er vonstatten gehen soll.
Ich glaube nicht, dass wir mit einer dritten Chance rechnen dürfen. Sie scheinen nicht von Natur aus brutal zu sein, aber sie handeln unter großem Stress. Ich glaube nicht, dass es ungefährliche Leute sind, gerade jetzt, auch wenn sie dich kennen. Wann, glaubst du, wird man uns vermissen?«
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»Nicht sehr bald«, erwiderte Ekaterin mit Bedauern.
»Als ich in der Unterkunft auf der Station ankam, habe ich Onkel Vorthys eine Nachricht geschickt. Er erwartet vermutlich keine weitere, sondern erst dann, wenn wir morgen Abend nicht aus der Fahre steigen.«
»Dann wird etwas geschehen«, sagte die Professora. Ihr Ton ruhiger Zuversicht klang nicht mehr ganz so
zuversichtlich, als sie matter anfügte: »Sicherlich.«
Ja, aber was wird zwischen jetzt und dann geschehen?
»Ja«, bestätigte Ekaterin. Sie schaute sich in der abgesperrten Toilette um. »Sicherlich.«
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18
Die Experten, die Professor Vorthys
angefordert hatte, sollten am Shuttlehafen von Serifosa etwa zur selben Zeit ankommen, da Ekaterin ihren
Anschlussflug zur Sprungstationsfähre antrat. Dieser Umstand ermöglichte es Miles, dabei zu sein, wahrend es sonst nur ein Abschied unter Verwandten gewesen wäre.
Ekaterin erörterte Veniers Besuch vom Vorabend nicht mit ihrem Onkel; der Professor gab ihr Botschaften an seine Frau mit und umarmte sie zum Abschied. Miles stand mit den Händen in den Taschen da und wünschte ihr mit einem Nicken von Herzen eine sichere Reise.
Der kommerzielle Morgenflug von Solstice her mit den Wissenschaftlern an Bord landete kurz darauf.
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