Vorkosigan 13 Komarr
hätte sie nicht diese Schwierigkeiten, an relevante Informationen heranzukommen.
»Im Laufe der letzten zehn Jahre hat er sich meist außerhalb des Kaiserreiches aufgehalten«, erwiderte der Onkel, als wenn das etwas erklärte.
»Hat er Geschwister?« Normale Brüder und Schwestern?
»Nein.«
Ein schlechtes Zeichen.
»Oh, das nehme ich zurück«, fügte Vorthys hinzu.
»Nicht im üblichen Sinn, würde ich sagen. Er hat einen Klon. Sieht allerdings nicht aus wie er.«
»Das… – wenn er ein… – ich verstehe das nicht.«
»Du musst dir das von Vorkosigan erklären lassen, wenn du es wissen möchtest. Selbst nach seinen Maßstäben ist die Sache kompliziert. Ich bin dem Burschen selber noch nicht begegnet.« Den Mund voller Schokolade und Sahne, fügte er hinzu: »Wenn wir schon von Geschwistern reden, habt ihr noch ein Geschwisterchen für Nikolai geplant? Es 68
wird große Altersunterschiede geben, wenn ihr noch viel länger wartet.«
Sie lächelte panisch. Sollte sie es wagen und ihm sagen?
Tiens Beschuldigung des Verrats brannte in ihrem
Gedächtnis, aber sie war so müde, erschöpft und dieser dummen Geheimnistuerei so überdrüssig. Wenn doch nur ihre Tante hier wäre…
Vage war sie sieh ihres empfängnisverhindernden
Implantats bewusst, jenes Stückchens galaktischer Technokultur, das Tien fraglos akzeptiert hatte. Es gab ihr die Sterilität einer Galakterin, ohne ihr deren Freiheit zu gewähren. Die modernen Frauen tauschten mit Freuden die tödliche Lotterie der Fruchtbarkeit gegen die Gewissheiten der Gesundheit und das Ergebnis, das sich aus dem
Gebrauch des Uterusreplikators ergab, aber Tiens Obsession mit der Geheimhaltung hatte ihr diese Belohnung auch verwehrt. Selbst wenn er somatisch geheilt würde, so wären es seine Keimzellen nicht, und jedes Kind würde genetisch untersucht werden müssen. War es seine Absicht, zukünftige Kinder zu verhindern? Als sie versucht hatte, dieses Thema mit ihm zu diskutieren, hatte er sie mit einem nichts sagenden Die wichtigen Dinge zuerst abgespeist; als sie auf ihrer Frage bestanden hatte, hatte er sie der Nörgelei und Selbstsucht bezichtigt. Das wirkte immer, um sie zum Schweigen zu bringen.
Sie wich der Frage ihres Onkels aus. »Wir sind so oft umgezogen. Ich habe immer darauf gewartet, dass sich die Dinge mit Tiens Karriere einmal klären.«
»Er scheint ziemlich … äh … rastlos gewesen zu sein.«
Vorthys hob die Augenbrauen und lud sie ein… wozu?
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»Ich … will nicht so tun, als wäre das nicht schwierig gewesen.« Das war nur allzu wahr. Dreizehn verschiedene Posten innerhalb von zehn Jahren. War das für einen aufsteigenden Bürokraten normal? Tien sagte, es sei notwendig, denn kein Boss befördere jemals jemanden aus seiner Abteilung oder lasse zu, dass ein früherer Untergebener einen höheren Posten bekam als er selbst; auf dem Weg nach oben musste man umherziehen. »Wir sind achtmal umgezogen. Bis jetzt habe ich sechs Gärten aufgegeben. Bei den letzten beiden Versetzungen habe ich schon nichts mehr gepflanzt, außer in Töpfen. Und dann musste ich noch die meisten Töpfe zurücklassen, als wir hierher kamen.«
Vielleicht würde Tien auf diesem Posten auf Komarr
bleiben. Wie konnte er denn jemals die Belohnungen der Beförderung und des höheren Dienstrangs, des Status, nach dem er so hungerte, einheimsen, wenn er nie lange genug bei einer Sache blieb, um sich so etwas zu verdienen?
Seine ersten paar Stellen, da musste sie ihm zustimmen, waren mittelmäßig gewesen; sie hatte ohne weiteres
verstanden, warum er so schnell weiterziehen wollte. Man erwartete ja, dass die ersten Ehejahre eines Paares unruhig waren, während die beiden sich mit ihrer neuen,
erwachsenen Lebensform vertraut machten. So, wie sie es gemacht hatte. Sie war damals schließlich erst zwanzig gewesen. Als sie heirateten, war Tien dreißig gewesen …
In jeder neuen Stellung hatte er mit einem Ausbruch an Begeisterung begonnen und hart oder zumindest sehr lange gearbeitet. Bestimmt konnte niemand härter arbeiten. Dann hatte die Begeisterung abgenommen, und er begann sich zu 70
beschweren: über zu viel Arbeit, zu geringe Entlohnung, die zu langsam angeboten wurde. Faule Kollegen, kriecherische Vorgesetzte. Zumindest stellte er es so dar. Für sie war es zum geheimen Alarmsignal geworden, wenn Tien anfing, von den sexuellen Eskapaden seiner Vorgesetzten zu erzählen; dies bedeutete, dass es mit seiner Stelle wieder einmal zu Ende ging. Er würde
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