Vorkosigan 13 Komarr
ob auch sie es müde war. gegen die Wand zu spielen. Ich werde sie fragen müssen.«
»Gegen die Wand zu spielen?«
»Entschuldigung, das ist eine private Metapher. Wenn man ein paarmal zu oft Risiken eingegangen ist, dann wird Adrenalin zu einer Gewohnheit, die man nur schwer
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aufgeben kann. Ich hatte immer angenommen, mein – hm –
früherer Geschmack für diese Art von Anfall käme von der barrayaranischen Seite meiner Genetik. Aber Nachtod-Erfahrungen haben die Tendenz, dass sie einen veranlassen, seine Prioritäten neu einzuschätzen. So lange so viele Risiken einzugehen … da würde man am Ende
verdammt sicher sein, wer man ist und was man will, oder man würde, ich weiß es nicht, anästhesiert sein.«
»Und Ihre Mutter?«
»Tja. sie ist auf keinen Fall anästhesiert.«
Sie wurde noch kühner. »Und Sie?«
»Hm.« Er zeigte ein leichtes, schwer fassbares Lächeln.
»Sie wissen, die meisten Leute versuchen mich über meinen Vater auszuhorchen, wenn sie eine Gelegenheit bekommen, mich in die Enge zu treiben.«
»Oh.« Sie errötete verlegen und lehnte sich zurück. »Es tut mir Leid. Ich war unhöflich.«
»Überhaupt nicht.« Tatsächlich wirkte oder klang er nicht verärgert. Seine Haltung war offen und einladend, als er sich zurücklehnte und sie betrachtete. »Überhaupt nicht.«
Dadurch ermutigt, beschloss sie, wieder kühn zu sein.
Wann würde sie schließlich noch einmal eine solche
Chance haben? »Vielleicht… war das, was mit Ihnen
passiert ist, für sie eine andere Art von Wand.«
»Ja, vermutlich ergibt es einen Sinn, dass Sie es vom Standpunkt meiner Mutter aus sehen.«
»Was… ist genau passiert?«
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»Mir?«, ergänzte er. Er erstarrte nicht wie in jenem kitzligen Moment beim Abendessen neulich, stattdessen betrachtete er sie nachdenklich, mit einer Art aufmerksamer Ernsthaftigkeit, die fast noch beunruhigender war.
»Was wissen Sie?«
»Nicht viel. Ich hatte gehört, dass der Sohn des Lordregenten verkrüppelt geboren worden war, damals im Krieg gegen den Usurpator Vordarian. Der Lordregent war dafür bekannt, dass er sein Privatleben sehr privat hielt.«
Genau genommen hatte sie gehört, sein Sohn sei ein
Mutant und werde vor der Öffentlichkeit versteckt.
»Ist das alles?« Er blickte fast beleidigt drein – dafür, dass er nicht berühmter war? Oder berüchtigter?
»Mein Leben ist kaum mit jenen gesellschaftlichen
Kreisen in Berührung gekommen«, beeilte sie sich zu erklären. »Oder mit irgendwelchen anderen. Mein Vater war bloß ein kleiner Provinzbeamter. Viele von Barrayars ländlichen Vor sind viel mehr ländlich als Vor, fürchte ich.«
Sein Lächeln wurde breiter. »Stimmt. Sie hätten meinem Großvater begegnen sollen. Oder… vielleicht nicht. Tja.
Hm. So spät gibt es nicht mehr viel zu sagen. Ein Attentäter, der es auf meinen Vater abgesehen hatte, schaffte es, meine Eltern beide mit einem veralteten militärischen Giftgas namens Soltoxin in Kontakt zu bringen.«
»In der Zeit des Usurpators?«
»Genau genommen kurz davor. Meine Mutter war fünf
Monate schwanger mit mir. Daher dieses Malheur.« Mit einer Geste seiner Hand am Körper entlang und diesem 130
nervösen Ruck mit dem Kopf umschrieb er seine Person und forderte zugleich die Betrachterin heraus. »Der Schaden war eigentlich teratogen, nicht genetisch.« Er warf ihr einen seltsamen Seitenblick zu. »Es war einmal sehr wichtig für mich, dass die Leute das wussten.«
»Es war? Und jetzt nicht mehr?« Wie offenherzig von ihm – es war ihm gelungen, es ihr schnell genug zu sagen.
Sie war fast enttäuscht. Stimmte es, dass nur sein Körper und nicht seine Chromosomen geschädigt worden war?
»Jetzt… denke ich. vielleicht ist es in Ordnung, wenn man meint, ich sei ein Mutant. Wenn ich es schaffe, dass es wirklich keine Rolle spielt, vielleicht wird es dann für den nächsten Mutanten, der nach mir kommt, noch unwichtiger sein. Eine Form des Dienstes, die mich keine zusätzliche Anstrengung kostet.«
Es kostete ihn etwas, offensichtlich. Sie dachte an Nikolai, der bald ein Teenager sein würde, und wie schwer dieses Alter selbst für normale Kinder war. »Hat man Sie es spüren lassen? Als Sie aufwuchsen?«
»Ich wurde natürlich etwas durch den Rang und die
Stellung meines Vaters geschützt.«
Sie bemerkte dieses etwas. Etwas war nicht dasselbe wie völlig. Manchmal war etwas genauso viel wie gar nicht.
»Ich habe einige Berge in Bewegung versetzt, um
durchzudrücken, dass
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