Vorkosigan 13 Komarr
Endlosband vor meinem geistigen Auge ab. In all den Jahren habe ich mir auch nicht ein einziges Mal vorgestellt, was wirklich passiert wäre, wenn ich sie richtig zu fassen bekommen hätte. Sie war fast doppelt so schwer wie ich.«
»Sie hätte Sie aus dem Shuttle gezogen«, sagte Ekaterin.
Trotz aller Einfachheit seiner Worte waren die Bilder, die sie auslösten, intensiv und unmittelbar. Sie rieb an den tiefroten Malen, die jetzt an ihren Handgelenken schmerzten. Weil Sie nicht losgelassen hätten.
Zum ersten Mal warf er einen Blick auf diese Male.
»Oh, das tut mir Leid.«
»Ist schon in Ordnung.« Befangen hörte sie auf, die Handgelenke zu massieren.
Das half nichts, denn er nahm ihre Hand und rieb sanft an den Flecken, als könnte er sie auslöschen. »Ich glaube, mit meinem Körperselbstbild ist etwas nicht in Ordnung«, sagte er.
»Glauben Sie in Ihrem Kopf, Sie seien eins achtzig
groß?«
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»Mein Traum-Ich scheint das zu glauben.«
»Macht es das etwas besser, wenn Sie die Wirklichkeit erkennen?«
»Nein, ich glaube nicht. Nur… anders. Seltsamer.«
Ihrer beider Hände waren eiskalt. Ekaterin sprang auf und entzog sich seiner fesselnden Berührung. »Wir müssen uns trocknen und wärmen, oder wir werden beide… uns ganz miserabel fühlen.« Du holst dir noch den Tod, war der alte Ausdruck ihrer Großtante dafür, und wenn sie den jetzt gebrauchte, dann wäre es außerordentlich unpassend. In den ersten Abfalleimer, an dem sie vorüberkamen, warf sie ihren überflüssigen verbliebenen Schuh.
Auf dem Weg zur Bubblecar-Haltestelle in der Nähe des öffentlichen Badestrands flitzte Ekaterin in einen Kiosk und kaufte einen Stapel bunter Handtücher. Im Bubblecar drehte sie die Heizung auf Maximum.
»Hier«, sagte sie, als der Wagen sich in Bewegung
setzte, und schob Lord Vorkosigan einige Handtücher hin.
»Ziehen Sie wenigstens diese klitschnasse Jacke aus und trocknen Sie sich ein bisschen ab.«
»In Ordnung.« Jacke, Seidenshirt und Thermo-Unterhemd landeten mit einem feuchten Klatschen auf dem Boden, und er rieb sich Haar und Oberkörper kräftig ab.
Seine Haut hatte eine fleckige purpurblaue Färbung angenommen; rosafarbene und weiße Narben traten in deutlichem Kontrast zum dunkleren Hintergrund hervor. Sein Körper war über und über mit Narben übersät, die meisten waren sehr fein, chirurgisch gerade und überlagerten sich in kreuzweisen Schichten, die älteren waren schwächer und 147
blasser: an seinen Armen, Händen und Fingern, am Hals und bis unter sein Haar. Sie liefen um seinen Brustkorb herum und parallel zu seinem Rückgrat. Die jüngsten, von frischestem Rosa, bildeten ein ungewöhnlich gezacktes und verschlungenes Durcheinander mitten auf seiner Brust.
Sie starrte ihn mit verstohlenem Staunen an; sein Blick fing den ihren auf. »Sie haben keinen Scherz gemacht, als Sie von Nadelgranaten sprachen, oder?«, sagte sie wie entschuldigend.
Er berührte seine Brust. »Nein. Doch das meiste stammt von alten Operationen, von den spröden Knochen, die ich dem Soltoxin verdanke. Im Laufe der Zeit wurden praktisch alle meine natürlichen Knochen gegen synthetische ausgetauscht. Stück für Stück, allerdings wäre es vermutlich medizinisch nicht praktisch gewesen, mich einfach von meinem Skelett abzuziehen, wie einen Anzug auszuschütteln und mich wieder auf ein neues Skelett zu stecken.«
»Ach du meine Güte.«
»Die Ironie daran ist, alle diese eindrucksvollen Narben stehen für die erfolgreichen Reparaturen. Die Verletzung, um derentwillen ich wirklich den Dienst quittieren musste, kann man nicht einmal sehen.« Er berührte sich an der Stirn und wickelte ein paar Handtücher wie einen Schal um sich. Die Handtücher waren mit riesengroßen gelben
Gänseblümchen gemustert. Sein Zittern ließ jetzt nach, ebenso die Purpurfärbung seiner Haut, die allerdings noch fleckig blieb. »Ich wollte Sie vorhin nicht beunruhigen.«
Sie überdachte seine Worte. »Sie hätten es mir eher sagen sollen.« Ja, was wäre gewesen, wenn einer seiner 148
Anfälle überraschend gekommen wäre, irgendwann auf
ihrem Weg an diesem Vormittag? Was in aller Welt hätte sie getan? Sie blickte ihn stirnrunzelnd an.
Er rutschte verlegen hin und her. »Sie haben natürlich Recht. Äh… völlig Recht. Es ist unfair, wenn man manche Geheimnisse vor den… Leuten im eigenen Team verbirgt.«
Er wandte den Blick ab, schaute sie wieder an, lächelte verkniffen und sagte: »Ich hatte vorher schon einmal
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