Vorkosigan 13 Komarr
die Hände in die Taschen, als wollte er sie wärmen, berührte kurz seinen Betäuber und folgte einige Schritte hinter dem Administrator. Außer Sichtweite bleiben war eine Sache, Vorsoisson aus der Sichtweite zu entlassen eine andere.
»Schauen wir doch erst einmal in das Technikgebäude«, rief Miles. Die Maske dämpfte seine Stimme. »Versuchen wir erst mal zu sehen, was da vor sich geht, bevor Sie 256
Kontakt mit den In …, hm, bevor Sie mit jemandem zu reden versuchen.«
Vorsoisson steuerte auf die Fahrzeugschleuse der Ladebucht zu. Miles fragte sich, ob die Möglichkeit bestand, dass jemand, der in das ungewisse Licht hinausschaute, ihn zunächst mit Nikolai verwechseln könnte. Die Verbindung von Vorsoissons dramatischem Geheimnis und seiner
eigenen natürlichen Paranoia machte ihn tatsächlich nervös, obwohl ein anderer Teil von ihm es für viel wahrscheinlicher hielt, dass das ganze Szenario harmlos war und Vorsoisson sich gewaltig irrte.
Sie betraten die Fußgängerschleuse zum Ladedock und durchliefen den Eingangszyklus. Der Druckunterschied machte sich in seinen Ohren nur leicht bemerkbar. Miles behielt seine Sauerstoffmaske vorläufig noch auf, während sie den geparkten Schwebetransporter umrundeten. Sobald sie drin wären, würde er Tuomonen anrufen…
Er blieb stehen, doch einen Moment zu spät, um der
Aufmerksamkeit des Paares zu entgehen, das in aller Ruhe neben einer mit Maschinen beladenen Schwebepalette
stand. Die Frau, die die Steuerleine der Palette in der Hand hatte, während sie die stumm schwebende Ladung in den Transporter manövrierte, war Madame Radovas. Der Mann war Administrator Soudha. Sie blickten beide bestürzt auf, als sie die unerwarteten Besucher bemerkten.
Einen Moment lang war Miles hin und her gerissen, ob er den Alarmschaltkreis seines Kommunikators aktivieren oder nach seinem Betäuber greifen sollte; doch als Soudha plötzlich nach seiner Weste griff, siegten Miles’ Kampfreflexe, und seine Hand fuhr in seine Tasche. Vorsoisson 257
drehte sich halb herum, den Mund erstaunt gerundet und zu einem Warnschrei ansetzend. Jetzt hat mich dieser Idiot in einen Hinterhalt geführt, dachte Miles unwillkürlich, doch Vorsoisson war offensichtlich viel überraschter als er selbst.
Soudha hatte seinen Betäuber eine halbe Sekunde
schneller gezogen als Miles. O Scheiße, ich habe Dr.
Chenko nie gefragt, wie ein Betäuberschuss auf meinen Anfallsimulator wirken würde – der Betäuberstrahl traf ihn voll ins Gesicht. Sein Kopf schnellte zurück, und der Schmerz war gnädig kurz. Bevor er auf dem Betonboden aufknallte, war er bereits bewusstlos.
Als Miles erwachte, rotierte die Betäubermigräne hinter seinen Augen, metallische Splitter reinen Schmerzes schienen zitternd in seinem Gehirn zu stecken, vom Lobus frontalis bis nach hinten zur Wirbelsäule. Sofort schloss er die Augen wieder vor dem zu grellen Licht. Ihm war so übel, dass er sich beinahe übergeben musste. Doch die sofort folgende Erkenntnis, dass er noch immer seine Sauerstoffmaske trug, aktivierte die antrainierten Reflexe; er schluckte und atmete tief und achtsam, und der
gefährliche Moment ging vorüber. Ihm war kalt. Fesseln, die an seinen Armen zogen, hielten in einer unbequemen Stellung aufrecht. Er öffnete erneut die Augen und schaute um sich.
Er befand sich im Freien, in der kalten Dunkelheit
Komarrs, angekettet an ein Geländer entlang dem Gehweg an der kahlen Seite des Abwärme-Technikgebäudes. Das stechende Licht stammte aus bunten Scheinwerfern, die 258
zwei Meter weiter unterhalb in der Vegetation standen und hübsch das Gebäude und den erhöhten Gehweg anstrahlten.
Dahinter war der Ausblick einzigartig uninformativ: Der Boden sank vom Gebäude weg ab und stieg dann weiter hinten wieder an und ging in kahle Ödnis über. Das
Geländer war ganz einfach: Im Abstand von jeweils einem Meter steckten Metallpfosten im Beton, die einen runden, ebenfalls metallenen Handlauf trugen. Miles war mit den Knien auf den harten und kalten Beton gesackt, seine Handgelenke waren angekettet – angekettet? Ja, angekettet, die Kettenglieder waren mit einfachen Metallschlössern an zwei aufeinander folgenden Pfosten befestigt, sodass er mit halb gespreizten Armen am Geländer hing.
Am linken Handgelenk trug er noch seinen KBS—
Kommunikator. Natürlich konnte er ihn mit der rechten Hand nicht erreichen. Und auch nicht – er versuchte es –
mit dem Kopf. Er verdrehte sein Handgelenk und drückte es
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