Vorkosigan 14 16 17 Der Botschafter
Kerl mit krausem dunklem Haar, der
äußerlich nicht älter als Anfang zwanzig wirkte, stöberte zerstreut zwischen Stapeln halb ausgepackter Kisten herum.
»Mark«, begrüßte er sie, »ich brauche mehr Regale. Und Arbeitstische. Und Beleuchtung. Und mehr Wärme. Die Mädels sind träge. Du hast es mir versprochen.«
»Schaut erst mal auf dem Speicher nach, bevor ihr
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losrennt und neues Zeug kauft«, schlug Kareen praktisch denkend vor.
»Oh, eine gute Idee. Kareen, das ist Dr. Enrique Borgos von Escobar. Enrique, das ist meine… meine Freundin, Kareen Koudelka. Meine beste Freundin.« Während er dies erklärte, hielt Mark ihre Hand fest und besitzergreifend.
Doch Enrique nickte ihr nur flüchtig zu.
Mark wandte sich einem breiten abgedeckten
Metalltablett zu, das auf einer Kiste abgestellt war. »Noch nicht schauen«, sagte er über die Schulter zu ihr.
Eine Erinnerung an das Leben mit ihren älteren
Schwestern durchzuckte Kareen – Mach den Mund auf und schließe die Augen, und du bekommst eine große Überraschung… Klugerweise ignorierte sie seine Anweisung und trat vor, um zu sehen, was er tat.
Er hob die Abdeckung des Tabletts und enthüllte eine
wimmelnde Masse von braun-weißen Dingern, die leise
zirpten und übereinander her krochen. Ihr überraschter Blick erfasste die Details – insektenförmig. groß. eine Menge Beine und zitternde Fühler…
Mark tauchte die Hand in das Gewimmel. »Igitt!«,
stöhnte Kareen.
»Es ist alles okay. Sie beißen nicht und stechen nicht«, versicherte er ihr mit einem Grinsen. »Hier, siehst du?
Kareen. darf ich dir einen Butterkäfer vorstellen?«
Er hielt ihr auf der offenen Hand einen einzelnen Käfer hin, so groß wie ihr Daumen.
Möchte er wirklich dass ich dieses Ding anfasse? Tja, sie hatte ja auch schließlich die betanische Sexualerziehung - 174 -
hinter sich gebracht. Was soll's! Zwischen Neugier und Abscheu hin und her gerissen, streckte sie die Hand aus, und Mark setzte den Käfer darauf ab.
Die kleinen Krallenfüße kitzelten an ihrer Haut, und sie musste nervös auflachen. Es handelte sich um das hässlichste Lebewesen, das sie bisher in ihrem Leben gesehen hatte. Allerdings hatte sie in ihrem betanischen Kurs für Xenozoologie letztes Jahr vielleicht noch hässlichere Exemplare seziert. Nichts sah besonders gut aus, wenn es einmal in Formalin eingelegt war. Die Käfer rochen nicht allzu schlecht, nur irgendwie grün, wie gemähtes Gras. Es war der Wissenschaftler, der dringend einmal sein Hemd waschen musste.
Mark begann mit einer Erklärung, wie die Käfer
organisches Material in ihren wirklich abscheulich
aussehenden Unterleibern reproduzierten, und sein neuer Freund Enrique machte die Sache noch komplizierter, indem er pedantische fachliche Korrekturen über die biochemischen Details anfügte. Soweit Kareen es
beurteilen konnte, klang alles biologisch sinnvoll.
Enrique puhlte ein einzelnes Blütenblatt von einer
pinkfarbenen Rose, die mit einem halben Dutzend anderer in einer Schachtel lag. Die Schachtel, die ebenfalls auf einem Kistenstapel abgestellt war, trug das Emblem eines der führenden Blumengeschäfte von Vorbarr Sultana. Er legte das Blütenblatt auf ihre Hand neben den Käfer; der Käfer nahm es mit seinen Vorderbeinen und begann am zarten Rand zu knabbern. Enrique lächelte der Kreatur zärtlich zu. »Ach ja, Mark«, fügte er hinzu, »die Mädchen brauchen so schnell wie möglich mehr Futter. Die Blumen - 175 -
hier habe ich heute Morgen bekommen, aber sie reichen
nicht den ganzen Tag.« Er zeigte auf die Schachtel des Blumengeschäfts.
Mark, der besorgt beobachtet hatte, wie Kareen den
Käfer auf ihrer Hand betrachtete, schien zum ersten Mal die Rosen wahrzunehmen. »Wo hast du diese Blumen herbekommen? Was, du hast Rosen als Käferfutter gekauft?«
»Ich habe deinen Bruder gefragt, wie man von der Erde
stammendes botanisches Material bekäme, das den Mädels gefallen würde. Er sagte, ich solle dort anrufen und bestellen. Wer ist übrigens Ivan? Aber es war schrecklich teuer. Ich fürchte, wir werden unser Budget überprüfen müssen.«
Mark lächelte dünn und schien bis fünf zu zählen, bevor er antwortete. »Ich verstehe. Ein kleines .Missverständnis, fürchte ich. Ivan ist unser Cousin. Du wirst es ohne Zweifel nicht vermeiden können, ihm früher oder später zu begegnen. Von der Erde stammendes botanisches Material kann man viel billiger besorgen. Ich glaube, du kannst draußen einiges
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