Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
und er starrte besorgt auf den Schössling und den Wasserfleck, der sich auf dem Boden um ihn herum ausbreitete. Als er ihre Schritte hörte, blickte er auf. Er öffnete den Mund; ein höchst bestürzender Ausdruck freudiger Erregung huschte über sein Gesicht, wurde jedoch fast sofort unterdrückt und durch eine Miene
wachsamer Höflichkeit ersetzt.
»Madame Vorsoisson«, brachte er heraus. »Was tun
Sie… äh… hm, willkommen. Willkommen. Hallo, Nikki.«
Sie konnte es nicht verhindern; die ersten Worte, die ihr aus dem Mund kamen, waren nicht die. welche sie im Bodenwagen eingeübt hatte, sondern: »Sie haben doch nicht Wasser über den Stamm gegossen, oder?«
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Er schaute auf die Pflanze, dann wieder zu ihr. »Äh…
hätte ich das nicht tun sollen?«
»Nur um die Wurzeln herum. Haben Sie die
Anweisungen nicht gelesen?«
Er blickte schuldbewusst auf die Pflanze, als erwartete er, dort ein Schildchen zu finden, das er übersehen hatte.
»Welche Anweisungen?«
»Die ich Ihnen geschickt habe, den Anhang – ach, schon gut.« Sie drückte die Finger an die Schläfen und suchte nach Klarheit in ihrem brodelnden Hirn.
Seine Ärmel waren wegen der Hitze hochgerollt; die
gezackten roten Narben um seine Handgelenke waren im
hellen Sonnenlicht deutlich sichtbar, wie die feinen blassen Linien der viel älteren chirurgischen Narben, die an seinen Armen hochliefen. Nikki starrte beunruhigt darauf. Miles'
Blick riss sich schließlich von ihrem allgemeinen Hiersein los und nahm ihre Erregung wahr.
Seine Stimme wurde flacher. »Ich nehme an, Sie sind
nicht wegen der Gartenarbeit gekommen.«
»Nein.« Es würde schwierig werden – oder vielleicht
auch nicht. Er weiß es. Und er hat es mir nicht gesagt.
»Haben Sie von dieser… dieser monströsen Beschuldigung gehört, die kursiert?«
»Gestern«, antwortete er offen.
»Warum haben Sie mich nicht gewarnt?«
»General Allegre hat mich gebeten, die Sicherheitsbewertung des KBS abzuwarten, Falls dieses… hässliche Gerücht Auswirkungen auf Sicherheitsbelange hat. dann bin ich nicht frei, bloß in meinem eigenen Namen zu - 536 -
handeln. Falls nicht … dann handelt es sich immer noch um eine schwierige Angelegenheit. Eine Beschuldigung –dagegen könnte ich kämpfen. Aber hier geht es um etwas Raffinierteres.« Er blickte sich um. »Doch da das Gerücht wohl oder übel zu Ihnen gedrungen ist, ist Allegres Bitte rein akademisch, und ich betrachte mich von ihr entbunden. Ich glaube, wir sollten dieses Gespräch lieber drinnen fortsetzen.«
Sie betrachtete den öden Platz, der zum Himmel und zur Stadt hin offen war. »Ja.«
»Bitte!« Er wies auf Palais Vorkosigan, unternahm
jedoch keine Anstalten, sie zu berühren. Ekaterin nahm Nikki an der Hand und sie begleiteten ihn schweigend den Pfad hinauf und durch das bewachte Haupttor hinein.
Er führte sie in »sein« Stockwerk, zurück in den heiteren sonnigen Raum, in dem er sie bei jenem denkwürdigen Mittagessen bewirtet hatte. Als sie den Gelben Salon erreichten, ließ er sie und Nikki auf dem zarten blassgelben Sofa Platz nehmen und setzte sich ihnen gegenüber auf einen geraden Stuhl. Um seinen Mund herum zeigten sich Falten der Spannung, die sie seit Komarr nicht mehr gesehen hatte. Er beugte sich vor, die Hände zwischen den Knien gefaltet, und fragte sie: »Wann und wie ist das Gerücht zu Ihnen gelangt?«
Sie gab einen für ihre Ohren kaum zusammenhängenden
Bericht über Vormoncriefs aufdringlichen Besuch, den
Nikki durch dann und wann eingestreute Bemerkungen
bestätigte. Miles lauschte ernst Nikkis gestammelten
Ausführungen und behandelte ihn dabei mit einem
ernsthaften Respekt, der den Jungen trotz der schrecklichen
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Natur des Themas zu beruhigen schien. Allerdings musste er ein Lächeln unterdrücken, als Nikki zu einer lebhaften Schilderung der Umstände kam, wie Vormoncrief sich eine blutige Nase geholt hatte: »Und es spritzte ihm auch über die ganze Uniform.« Ekaterin blinzelte überrascht, als sie von beiden Seiten genau den gleichen Blick zufriedener männlicher Bewunderung erntete.
Doch der Moment der Begeisterung ging vorüber.
Miles rieb sich die Stirn. »Wenn es meinem Ermessen
überlassen wäre, dann würde ich einige von Nikkis Fragen hier und heute beantworten. Doch mein Ermessen ist unglücklicherweise suspekt. Interessenkonflikt reicht nicht aus, um meine Stellung in dieser Sache zu beschreiben.« Er seufzte sanft und lehnte sich auf dem harten Stuhl
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