Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
verhallten.
Illyan blieb an den Türbogen gelehnt, die Arme
gekreuzt, und betrachtete sie neugierig.
»Wie lange haben Sie schon dagestanden?«, fragte sie
ihn, als sich ihr Atem etwas beruhigt hatte.
»Ich bin hereingekommen, als von dem Verhör unter
Schnell-Penta die Rede war. Alle diese Schlüsselwörter –
KBS, Mittäterschaft… Vorkosigan. Ich entschuldige mich, dass ich gelauscht habe. Alte Gewohnheiten legt man nur schwer ab.« Sein Lächeln kehrte zurück, doch es gewann seine Wärme nur sehr langsam wieder.
»Nun ja… danke, dass Sie mich von ihm befreit haben.
Militärische Disziplin ist doch etwas Wunderbares.«
»Ja. Wie lange wird es wohl dauern, bis ihm klar wird,
- 529 -
dass ich ihn nicht mehr kommandiere, und auch sonst
niemanden? Na schön. Also, worüber genau hat der
abscheuliche Alexi geschwafelt?«
Ekaterin schüttelte den Kopf und wandte sich Nikki zu:
»Nikki, mein Schatz, was ist passiert? Wie lange war
dieser Mann hier?«
Nikki schniefte, aber er zitterte nicht mehr so sehr. »Er ist an die Tür gekommen, gleich nachdem Tante Vorthys fortgegangen war. Er hat mir alle möglichen Fragen über die Zeit gestellt, als Lord Vorkosigan und Onkel Vorthys bei uns auf Komarr waren.«
Die Hände in den Taschen kam lllyan näher heran.
»Kannst du dich an einige der Fragen erinnern?«
Nikki verzog das Gesicht. »War Lord Vorkosigan viel
mit Mama allein – wie soll ich das wissen? Wenn sie allein waren, dann wäre ich ja nicht dabei gewesen. Was ich Lord Vorkosigan habe tun sehen. Meistens zu Abend essen. Ich habe ihm über den Flug mit dem Luftwagen erzählt… er fragte mich alles Mögliche über Atemmasken.« Er schluckte und schaute verstört auf seine Mutter. Seine Hand umklammerte ihren Arm. »Er sagte, Lord Vorkosigan hat etwas an Papas Atemmaske gemacht!
Mama, ist das wahr?«
»Nein, Nikki.« Sie umarmte ihn noch fester. »Das war
nicht möglich. Ich habe die beiden Männer gefunden, und ich weiß es.« Der physische Beweis war klar, aber wie viel konnte sie ihm erzählen, ohne die Geheimhaltung zu brechen? Die Tatsache, dass Lord Vorkosigan mit den Handgelenken an ein Geländer gekettet und nicht in der Lage gewesen war, irgendetwas an irgendeiner Atemmaske - 530 -
zu machen, seine eigene eingeschlossen, führte sofort zu der Frage, wer ihn warum dort angekettet hatte. Die Tatsache, dass es Myriaden von Dingen über jenen Albtraum gab, die Nikki nicht wusste, führte sofort zu der Frage, wie viel mehr man ihm nicht gesagt hatte, warum Mama, wie Mama, was Mama, warum, warum, warum…
»Man hat das erfunden«, sagte sie heftig. »Man hat alles erfunden, und nur deshalb, weil Lord Vorkosigan mich bei seiner Party gefragt hat, ob ich ihn heiraten möchte, und ich ihn abgewiesen habe.«
»So?« Nikki drehte sich zappelnd herum und starrte sie überrascht an. »Das hat er getan? Wow! Aber du wärest dann eine Gräfin! Das ganze Geld und alles!« Er zögerte.
»Du hast nein gesagt? Warum?« Er runzelte die Stirn.
»War das, als du auch deinen Job gekündigt hast? Warum warst du so böse auf ihn? Worüber hat er dich angelogen?«
Zweifel erschien in seinen Augen; sie spürte, wie er sich wieder versteifte. Am liebsten hätte sie geschrien.
»Es hatte nichts mit Papa zu tun«, sagte sie mit
Nachdruck. »Das – was dieser Alexi dir erzählt hat – ist bloß eine Verleumdung von Lord Vorkosigan.«
»Was ist eine Verleumdung?«
»Das ist, wenn jemand Lügen über einen anderen
verbreitet, Lügen, die dessen Ehre beschädigen.« Im
Zeitalter der Isolation konnte man um eine derartige Sache ein Duell mit den beiden Schwertern ausfechten, wenn man ein Mann gewesen war. Das Prinzip des Duellierens hatte plötzlich einen Sinn für sie, zum ersten Mal in ihrem Leben. In diesem Augenblick war sie bereit, jemanden zu - 531 -
töten, das Problem war nur, auf wen sie zielen sollte. Es wird in der ganzen Stadt darüber geflüstert…
»Aber…«Nikkis Gesicht war angespannt, verdutzt.
»Wenn Lord Vorkosigan mit Papa zusammen war, warum
hat er ihm nicht geholfen? In der Schule auf Komarr haben sie uns beigebracht, wie man bei einem Notfall Atemmasken gemeinsam benutzen kann…«
Sie sah es in seinem Gesicht, wie die Fragen sich zu
verflechten begannen. Nikki brauchte Tatsachen, die
Wahrheit, um gegen seine erschrockenen Vorstellungen
anzukämpfen. Aber es lag nicht in ihrer Hand,
Staatsgeheimnisse mitzuteilen.
Damals auf Komarr hatten sie und Miles vereinbart, dass
Weitere Kostenlose Bücher