Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
eines gefesselten Menschen entweichen. »Davon geht es aus. Wenn ich solche Szenarios hervorbringen kann, dann können es andere auch, und ich bin mir sicher, einige werden nicht zögern, Ihnen ihre gescheiten Ideen mitzuteilen.«
»Sie haben das vorausgesehen?«, fragte sie ein wenig
benommen.
»Zehn Jahre Dienst im KBS hinterlassen Spuren im
Gehirn. Einige davon sind nicht sehr schön.«
Die Flutwelle des Ärgers, die Ekaterin hierher gebracht hatte, wich allmählich zurück und ließ sie an einem wirklich sehr nackten Ufer stehen. Sie hatte nicht die Absicht gehabt, vor Nikki so offen zu reden. Doch Vormoncrief hatte jede Chance zerstört, Nikki auch - 541 -
weiterhin durch Nichtwissen zu schützen. Vielleicht hatte Miles Recht. Sie würden sich damit befassen müssen. Sie alle drei würden sich damit befassen müssen, und das auch weiterhin, ob sie nun dazu bereit waren oder nicht, ob sie alt genug waren oder nicht.
»Mit den Fakten jonglieren bringt einen jedenfalls nur so weit. Früher oder später läuft es auf bloßes Vertrauen hinaus.« Er wandte sich an Nikki. Der Ausdruck in seinen Augen war nicht zu deuten. »Ich sage dir die Wahrheit, Nikki. Ich habe deinen Vater nicht ermordet. Er hat die Stadtkuppel mit einer Atemmaske verlassen, deren Reservoir fast leer war, was er nicht überprüft hat, und dann musste er sich zwangsweise zu lange draußen aufhalten. Ich habe zwei schlimme Fehler begangen, die verhinderten, dass ich ihn retten konnte. Ich habe deshalb kein sehr gutes Gefühl, aber ich kann es jetzt nicht mehr ändern. Das Einzige, was ich tun kann, um es wieder gutzumachen, ist. dass ich aufpasse auf…« Er hielt abrupt inne und fasste Ekaterin mit äußerster Wachsamkeit ins Auge. »Dafür zu sorgen, dass man sich um seine Familie kümmert und dass sie keinerlei Not leidet.«
Sie erwiderte seinen Blick. Die Familie war Tiens
geringste Sorge gewesen, nach seinem Verhalten zu
Lebzeiten zu schließen, sonst hätte er sie nicht mittellos zurückgelassen, sich selbst heimlich entehrt und Nikki wegen einer ernsten genetischen Krankheit unbehandelt gelassen. Doch Tiens größere Versäumnisse hatten sich, wenn sie auch Zeitbomben für Nikkis Zukunft gewesen waren, selten auf den Jungen ausgewirkt. In einem nachdenklichen Moment während der Bestattung hatte sie - 542 -
Nikki gefragt, welche glückliche Erinnerung er an seinen Papa hatte. Der Junge hatte sich daran erinnert, wie Tien sie zu einer wunderbaren Woche ans Meer mitnahm.
Ekaterin hatte daran gedacht, dass ihr Bruder Hugo ihr die Fahrkarten für die Einschienenbahn und die Hotelreservierung für jenen Urlaub als milde Gabe zugesteckt hatte, und deshalb hatte sie geschwiegen. Selbst vom Grab aus, dachte sie bitter, griff Tiens persönliches Chaos noch nach ihr und störte ihre Suche nach Frieden. Vielleicht war es nicht schlecht, dass Nikki hörte, wie Vorkosigan sich anbot, Verantwortung zu übernehmen.
Nikki presste die Lippen aufeinander und sein Blick
wurde etwas verschwommen, während er Miles' offene
Worte verdaute. »Aber«, begann er und hielt dann inne.
»Dir müssen jetzt eine Menge Fragen durch den Kopf
gehen«, sagte Miles in einem sanft ermutigenden Ton.
»Wie lauten sie? Na? Wenigstens eine oder zwei?«
Nikki senkte den Blick, dann schaute er auf. »Aber –
aber – warum hat er seine Atemmaske nicht überprüft?« Er zögerte, dann sprudelte es aus ihm heraus: »Warum konnten Sie nicht die Ihre mit ihm gemeinsam benutzen?
Worin bestanden Ihre beiden Fehler? Worüber haben Sie Mama angelogen, dass sie so wütend wurde? Warum konnten Sie ihn nicht retten? Wie haben Sie die Verletzungen an Ihren Handgelenken bekommen?« Nikki holte tief Luft, blickte Miles völlig eingeschüchtert an und heulte fast: »Soll ich Sie töten wie Kapitän Vortalon?«
Miles war diesem Wortschwall mit großer Aufmerksamkeit gefolgt, doch nach der letzten Frage blickte er verdutzt drein. »Entschuldige, wie wer?«
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Verblüfft erklärte Ekaterin mit gedämpfter Stimme:
»Kapitän Vortalon ist Nikkis beliebtester Holovid-Held. Er ist ein Sprungschiffpilot, der mit Prinz Xav galaktische Abenteuer erlebt, indem er während der cetagandanischen Invasion Waffen für den Widerstand schmuggelt. Es gab eine ganze lange Folge, wie er einige Kollaborateure jagte, die seinem Papa –Lord Vortalon – einen Hinterhalt gelegt hatten, und dessen Tod an ihnen nacheinander rächte.«
»Irgendwie muss das mir entgangen sein. Ich muss
gerade
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