Vorsätzlich verliebt
schlammigen Campingplatz in Nordwales.«
»Knapp daneben. Nach Venedig!«
»O wow!«
»Das ist jetzt aber wirklich romantisch«, sagte Kaye.
»Ich weiß«, seufzte Erin wohlig. »Ich wollte immer schon einmal dorthin. Ich bin ja so aufgeregt! Stellt euch vor, hier werden wir wohnen. In einem Palazzo am Canal Grande.« Begeistert zeigte sie ihnen das Hotel in dem Flyer. »Aus dem 14 . Jahrhundert, mit Blick auf die Rialto-Brücke. Es gibt sogar einen Dachgarten.«
»Das ist toll.« Tilly drückte ihren Arm. »Du hast es aber auch wirklich verdient.«
»Als Fergus es mir sagte, bin ich in Tränen ausgebrochen«, beichtete Erin. »Wir fahren die letzte Woche im Monat. Ich kann es kaum erwarten.«
»Und du willst den Laden wirklich schließen?«, fragte Kaye, als Tilly wieder in die Umkleidekabine verschwand, um ihr neues Kleid auszuziehen.
Erin nickte. Sie hatte Barbara gefragt, die ihr früher schon hin und wieder ausgeholfen hatte, aber Barbara konnte dieses Mal nicht einspringen. »Ist schon gut. Es ist ja nur für eine Woche.«
»Ich könnte doch nach dem Laden schauen. Wenn es dir recht ist«, fügte Kaye rasch hinzu, als sie Erins verblüfften Gesichtsausdruck sah.
»Ist das dein Ernst?«
»Warum nicht?«
Erin wedelte mit beiden Händen. »Tut mir leid, das habe ich einfach nicht erwartet. Also, du bist doch eine Hollywoodschauspielerin. Das wäre, wie wenn man in die Post marschiert, und Joan Collins verkauft einem Briefmarken.«
»Nur dass Joan immer noch ihre Karriere hat«, stellte Kaye klar, »ich dagegen nicht. In absehbarer Zukunft engagiert mich keiner mehr. Und es macht mich verrückt, wenn ich nichts zu tun habe. Ich würde deinen Laden wirklich gern eine Woche lang führen, wenn du denkst, dass du mir vertrauen kannst.«
»Mein Gott, bist du sicher?«
»Absolut sicher. Ich mag Kleider. Und es ist nett hier, freundlich und friedlich.«
»Außer, Stella kommt hereingestürmt und brüllt Unflätigkeiten. Aber das wird sie nicht tun«, stellte Erin rasch klar, »sie hat es ja nur auf mich abgesehen.«
»Keine Sorge. Meine Güte, ist es schon so spät? Ich muss zum Friseur.« Kaye bezahlte den Schal. »Siehst du? Das ist aus mir geworden. Ich fülle meine leeren Tage damit, mir beim Friseur die Wimpern färben zu lassen. Wie traurig ist das denn?«
Tillys Handy klingelte. Sie wühlte in ihrer Handtasche.
»Hallo, hier spricht Mrs. Heron von Harleston Hall.«
»Oh! Hallo!« Mrs. Heron war die großgewachsene und respektgebietende Direktorin von Lous Schule. Unwillkürlich drückte Tilly ihre Schultern durch und stand etwas aufrechter. »Ist alles in Ordnung?«
»Louisa geht es gut. Aber ich fürchte, es gab einen … Vorfall.« Mrs. Heron wählte ihre Worte mit Bedacht. »Ich habe versucht, Louisas Mutter zu erreichen, aber sie geht nicht ans Telefon.«
»Oh, sie ist hier.« Tilly legte die Hand auf das Mikro und sagte zu Kaye: »Wo ist dein Handy?«
»Zu Hause, wird gerade aufgeladen. Wer ist das?«
»Mrs. Heron.« Tilly drückte Kaye ihr Handy in die Hand.
»Hallo? Hier spricht Lous Mutter. Was ist passiert?«
Tilly und Erin beobachteten Kayes Gesicht, während diese aufmerksam zuhörte. Schließlich sagte sie: »Wir machen uns sofort auf den Weg«, und beendete die Verbindung.
»Was meint sie mit
Vorfall
?« Tilly schlug das Herz bis zum Hals.
»Sie sagte, sie würde alles erklären, sobald wir dort sind. Aber es hat mit Eddie Marshall-Hicks zu tun.«
»Was?« Gott, Lou war erst dreizehn. Sie war doch hoffentlich nicht bei irgendetwas Sexuellem erwischt worden. »Haben Sie sich … äh … geküsst?« Würde das zu einem Anruf der Direktorin führen?
»Ich weiß es nicht. Ich glaube aber nicht.« Schockiert und nachdenklich sagte Kaye: »Sie meinte, es hätte einen Übergriff gegeben.«
Einen Übergriff. Das klang nicht nach einem Kuss.
»Wir rufen besser Max an.« Tilly wollte Kaye das Handy aus der Hand nehmen, aber Kaye hielt es zurück.
»Nein, tu das nicht. Mrs. Heron hat davon abgeraten. Lou will nicht, dass er es erfährt.«
30. Kapitel
»So viel dazu, dass ich nichts hätte, womit ich meine leeren Tage füllen kann.« Kaye hatte den Termin beim Friseur abgesagt. Ihre Vorstellungskraft schlug Purzelbäume. »Was, wenn dieser Junge sich bei Lou irgendetwas herausgenommen hat? Ich werde ihn verhaften lassen! Oder ich reiße ihm mit bloßen Händen das Herz aus dem Leib!«
Sie erreichten Harleston Hall in Rekordgeschwindigkeit.
Die Schulsekretärin wartete
Weitere Kostenlose Bücher