Vorsaison
ich einen Moment lang
noch an Corinna denken, die alleine Angst in einer Wohnung hatte und schüttelte
den Kopf. Ich hatte früher immer nur Angst gehabt, wenn jemand in der
Wohnung gewesen war, zum Beispiel mein Stiefvater oder mein Ex.
Als ich wach wurde, war noch alles ruhig
und ich beschloss, wie ein echter Spanier zum Frühstücken in eine Bodega zu
gehen. Gleich am „Plaza Canaletas“, dem Dorfplatz, gab es eine Bodega, die „Bar
Parada“, wo besonders morgens schon viele Spanier saßen, café schlürften
und Zeitung lasen oder sich unterhielten. In der Vitrine in der Theke stand
etwas, das wie Apfelkuchen aussah und ich bestellte ein Stück davon. In
völliger Überzeugung, es handele sich dabei um süßen Apfelkuchen, biss ich
herzhaft in mein erstes Stück Tortilla; eine spanische Quiche, aus Kartoffeln
und Eiern hergestellt. Danach setzte ich meinen Leidensweg auf der Suche nach
Arbeit in Hotels oder Reisebüros fort. Als ich gegen 15.00 Uhr wieder bei Ernie
eintraf, hatte ich mittlerweile fast alle Hotels und auch alle Reisebüros in
Lloret abgeklappert. Lloret de Mar war eben nur ein kleiner Ort und ich
überlegte, am nächsten Tag vielleicht mal mein Glück in Blanes zu versuchen. Bei
meinem Eintreffen lag Ernie auf dem Sofa im Wohnzimmer und Babs hing im Sessel.
Beide sahen fern und da man einen alten Spielfilm zeigte, den Babs schon
kannte, war es auch kein Problem, dass sie nichts verstehen konnte. Als Babs
mich sah, sprang sie jedoch sofort auf und rief aufgeregt, sie hätte ganz tolle
Neuigkeiten für mich. Ernie nickte beflissentlich. Dann sprudelte auch schon aus
ihr heraus, dass sie ab Ostern einen Job in einer neuen Discothek namens
„Tropics“ hätte! Ich sollte doch heute Abend unbedingt mal mit ins „Moby’s“
gehen und nach dem Manager fragen! Bestimmt hätte der auch noch einen Job für
mich. Ich erinnerte mich nun wieder daran, wie mir diese Gabi gesagt hatte,
dass ich schon die Zweite gewesen wäre, die gestern nach einem Job fragte. Nun
wusste ich, wer die Erste gewesen war. Schnell erzählte ich deshalb, wie
ich gestern doch noch im „Moby’s“ gewesen wäre und Gabi kennenlernte, die mich
dann Señor Xavier vorstellte. Babs freute sich wirklich und fiel mir um den
Hals. Dass wir nun zusammen arbeiten würden, fand sie einfach Spitze.
>>Und wenn du nicht bei Ernie
wohnen willst, dann kannst du auch gerne bei Hermann und mir wohnen<<,
rief sie vergnügt und tanzte durchs Zimmer. Für Babs war die Welt in Ordnung
und sie war im siebten Himmel. Dann erfuhr ich, wie sie sich nach ihrem
Gespräch mit Señor Xavier ein Taxi genommen und auf gut Glück nach Lloret Blau
gefahren war. Lachend erzählte sie, wie sie und der Taxifahrer dort geschlagene
zwanzig Minuten herumgekurvt waren, weil Babs sich nicht mehr daran hatte
erinnern können, wo genau das chalet von Detlef lag. Schließlich hatte
sie zum Glück den VW Bus am Straßenrand gesehen und nach einer kleinen
Diskussion mit Detlef habe dieser auch nachgegeben und Babs hatte die Nacht
wieder bei Hermann verbringen können. Heute Morgen hatte Detlef sie jedoch
schon in aller Herrgottsfrühe wieder hier abgesetzt — wobei in aller Herrgottsfrühe gegen 11.00 Uhr gewesen war, wie Ernie hinzufügte. Da war ich schon eine Stunde
aus dem Haus gewesen.
Punkt 16.00 Uhr klopfte ich wieder im
„Picasso“ an Corinnas Zimmertür, nur leider war sie diesmal nicht da. Sehr
zuverlässig schien sie nicht zu sein und so nahm ich mir vor, ein wenig die
Stadt zu erkunden. Ernie wohnte sehr zentral und nur zwei Straßen von den
beiden großen Haupteinkaufsstraßen entfernt. Doch die wenigen Läden, die auch
den Winter über öffneten, waren noch geschlossen — ich hatte die spanische siesta ,
die von 13.00 bis 17.00 Uhr dauerte vergessen. Also besah ich mir die Sachen in
den Schaufenstern. Bei „Uncle Sam“ hingen die knallengen Leggings im Fenster,
die auch Corinna getragen hatte und ein unglaublich schöner, blassrosafarbener
Jogginganzug mit dickgefüttertem Wende-Sweatshirt. Die ebenfalls
enggeschnittene Jogginghose trug einen weißen Uncle Sam Schriftzug in
Schreibschrift, der Länge nach auf das rechte vordere Hosenbein gedruckt. Auf
dem Sweatshirt stand in derselben Schrift das Wort Occi — was immer das
bedeuten sollte. Der Jogger hatte es mir angetan, nur leider konnte ich mein
weniges Geld nicht für Klamotten ausgeben. Plötzlich bekam ich Heißhunger auf
Schokolade und beschloss, einen der kleinen Lebensmittelläden
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