Vorsicht Nachsicht (German Edition)
fragen können, was ich für dich empfinde.«
»Ich wollte warten, bis du von dir aus was sagst.« Ich höre, wie er sich zurücklehnt und dabei seufzt. »Aber du hast nichts gesagt. Nie. Ich habe dir oft gesagt, dass ich dich lieb habe. Nicht einmal darauf hast du etwas erwidert. Nur einmal, als du krank warst, und selbst das mit dem Hintergedanken mich abzulenken, damit ich dich nicht zum Arzt schicke. Ich bin kein Hellseher, Ruben. Für mich sah es nicht so aus, als wären wir gefühlsmäßig auf einem Level. Ich wollte warten, bis du mich auch so liebgewonnen hast, aber es hat sich nichts geändert. Vielleicht bist du zutraulicher geworden, aber du redest nie über deine Gefühle oder was gerade in dir vorgeht. Also muss ich doch davon ausgehen, dass du nichts sagst, weil du nichts zu sagen hast.«
»Wir sind nicht auf einem Level.« Das weiß ich schon lange. Nie im Leben könnte ich Kilian derart mit Absicht verletzen. Eher würde ich mir selbst das Herz herausreißen.
»Aber du empfindest etwas für mich, sonst… sonst hättest du nicht so geweint, weil du dachtest, ich hätte dich betrogen«, entgegnet Kilian heiser. »Es ist okay, solange da etwas ist. Aber ich musste wissen, ob da überhaupt etwas ist.«
Wie kann er davon ausgehen, dass da nichts ist? Die Momente, die wir zusammen hatten, hat er da nichts gespürt? Bin ich derart verschlossen? Ich zwinge mich, ihn anzusehen. Er wirkt angespannt und schluckt mühsam, weicht meinem Blick jedoch nicht aus.
»Ich hab nicht geweint, weil ich dachte, dass du mich betrogen hast«, erkläre ich unruhig und klemme meine Hände zwischen Oberschenkel und Wade ein, damit sie nicht zittern.
Unter Kilians Wangen zeichnen sich deutlich seine Kiefermuskeln ab, so fest beißt er die Zähne aufeinander. Seine Augenlider zucken undefiniert.
»Warum dann?«
»Weil ich dachte, dass… es aus ist.« Ich blinzle eine neue Träne fort. Die Befürchtung sitzt mir immer noch in den Knochen. Das Trauma, dass er genug von mir hat und zurück zu Jeremy gehen will.
»Wir sind nicht auf einem Level. Ich habe dich nicht lieb.« Erneut muss ich stocken und eine Träne weg blinzeln. »Ich… ich… habe noch nie so viel für einen Menschen empfunden wie für dich. Es ist mir egal, wenn du mir wehtust, solange du bei mir bleibst.«
Den letzten Satz kann ich nur noch leise hauchen. Meine Kehle schnürt sich wieder zu und die Angst, wie er auf mein Geständnis reagieren wird, sitzt wie ein glühender Klumpen in meinem Bauch.
Er sagt nichts. Er sitzt wie erstarrt da und sieht mich unverwandt an. Ich kann seinem Blick nicht länger standhalten und verberge mein Gesicht wieder hinter meinen Beinen.
»Ich schäme mich so sehr«, flüstert Kilian schließlich. »Und es tut mir wahnsinnig, wahnsinnig leid, dass ich dir nicht vertraut und dir so weh getan habe. Ich mag ein totales Arschloch sein, weil ich dir dennoch weh getan habe, auch noch bewusst. Aber wir sind auf einem Level, Ruben. Schon lange. Seit Baltrum bin ich mir sicher, was meine Gefühle angeht. Ich hatte nur keine Ahnung, dass es dir ähnlich geht. Ich liebe dich.«
Er steht langsam auf und kommt zu mir. Seufzend hockt er sich vor mich hin und zwingt mich sanft dazu, die Beine, die wie ein Schutzschild vor meinem Körper aufgestellt sind, herunter zu nehmen und ihm in die Augen zu sehen.
»Ich liebe dich, Ruben, und ich werde dir nie wieder so bewusst weh tun wie heute.«
Stumm sehe ich ihn an. Mein Herz hämmert in meiner Brust. Es ist zu viel. Und ich kann ihm nicht glauben. Leicht schüttle ich den Kopf.
»Was, nein?«, will er sanft wissen.
»Ich kann dir nicht glauben«, gestehe ich heiser.
»Ich werde es dir beweisen. Jeden Tag neu, wenn es sein muss.« Er streckt seine Hand aus und streichelt mir zärtlich über meine Wange. Meine Haut fühlt sich von den getrockneten Tränen gespannt an. Aber seine Hand tut mir gut. »Warum kannst du mir denn nicht glauben?«
Ich antworte nicht gleich. Ich kann nicht. Es kostet mich meinen ganzen Stolz und Mut es auszusprechen. Und es widerstrebt mir so sehr, ihn darauf zu stoßen. Aber ich muss offen sein. Sonst drehen wir uns immer wieder im Kreis. Ich halte es nicht noch einmal aus, wenn er mich testet, um zu wissen, was in mir vorgeht. Das war ein heilsamer Schock, dann sag ich es ihm lieber gleich.
»Ich habe nichts Liebenswertes an mir.«
»Wie kannst du so etwas sagen?«, fragt Kilian und mustert mich bestürzt. »Und mit so einer… Gewissheit in deiner Stimme.«
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