Vorsicht Nachsicht (German Edition)
gereicht, um das festzustellen. Mir wird schlecht. Ich schließe die Augen und atme langsam ein und aus, um mich zu beruhigen. Kilian hat gesagt, dass wir es allen zeigen werden. Er wird sich nicht so leicht umstimmen lasse. Aber erst Jeremy und jetzt seine Band? Wer würde da nicht ins Zweifeln geraten?
Die Kofferraumtür öffnet sich und wird gleich darauf hart zugeworfen. Ich zucke zusammen und blicke alarmiert zur Fahrerseite. Kilian lässt sich mit undefinierbarem Gesichtsausdruck auf den Sitz fallen. Den Schlüssel habe ich schon ins Zündloch gesteckt. Er dreht ihn um, ohne mich zu beachten, ohne mich zu beruhigen. Er fährt einfach los.
»Kilian? Was war los?«
»Nicht jetzt! Gib mir Zeit, bis wir bei mir sind.«
Ich zucke angesichts der Härte in seiner Stimme noch mehr zusammen. Benommen blicke ich aus dem Seitenfenster. Er fährt zu schnell. Aber vielleicht liegt es auch am Alkohol, dass es mir nur so vorkommt. Vielleicht will ich auch nur nicht ankommen. Ich glaube kaum, dass es angenehm ist, was wir dort besprechen werden. Hoffentlich macht er nicht Schluss. Nicht so schnell. Das würde er doch nicht so plötzlich tun... Oder?
Schweigend erreichen wir Lüneburg und viel zu bald darauf auch seine Wohnung. Alle Handgriffe, die Kilian tut, wirken unwirsch und schüchtern mich noch weiter ein. Er ist anscheinend richtig wütend. Hoffentlich auf seine Freunde und nicht auf mich.
Wie betäubt folge ich ihm in die Wohnung. Auf eine Geste von ihm, gehe ich ins Wohnzimmer und setze mich auf die Couch. Vom Alkohol spüre ich jetzt gar nichts mehr. Ich bin viel zu nüchtern. Ob meine Fahrigkeit noch von dem Bier stammt oder von meiner Angst, kann ich nicht sagen. Unwohl sehe ich zu Kilian auf. Er hat sich nicht zu mir gesetzt, sondern lehnt an der Wand neben der Anlage, schräg gegenüber von mir.
»Arne meint, er hätte dich vorgestern im Badeland gesehen«, erklärt er brüsk.
»Oh.« Mehr fällt mir dazu nicht ein. Doch natürlich fällt mir der Kuss ein und ich bekomme sofort wieder ein schlechtes Gewissen, aber den Kuss kann Arne ja wohl kaum gesehen haben.
»Ja, oh«, knurrt Kilian. »Du warst nicht mit deinen Freunden da, sondern nur mit einem einzigen – einem anscheinend sehr guten Freund! Lass mich raten: Viktor?«
Ich nicke. »Die anderen konnten nicht.«
»Hältst du mich für blöd?«, fragt er scharf. Er ist eindeutig eifersüchtig. Und das ist wirklich nicht fair.
Ich schlucke. »Ich dachte wirklich, die anderen würden auch kommen.«
»Und als nicht, hat es dich nicht misstrauisch gemacht? Oder war es dir einfach nicht so wichtig?«
Befangen sehe ich ihn an. »Es war doch nichts dabei.«
»Nein? Nur ein bisschen Flirten im Pool und gemeinsam in einer Umkleidekabine verschwinden? Was ist schon dabei?« Seine Brauen ziehen sich streng zusammen und er hat wieder die Arme vor der Brust gekreuzt.
Das hat Arne gesehen? Mir ist er gar nicht aufgefallen. »Wir haben nicht geflirtet.«
»Dafür saßt ihr aber ziemlich dicht zusammen, hat Arne erzählt.« Kilian stöhnt entnervt auf. »Mensch, Ruben, hab wenigstens soviel Anstand mir zu sagen, was dann passiert ist!«
»Nichts«, versichere ich hastig. »Ich weiß ja nicht, was Arne gesehen hat, aber wir haben uns im Pool nur unterhalten und als Viktor zu aufdringlich wurde, bin ich allein schwimmen gegangen. Er wollte nur über dich lästern, das habe ich mir nicht gefallen gelassen. Und dann wollte ich ganz gehen, aber er ist mir nachgekommen. Wenn Arne das gesehen hat, sollte er aber auch mitbekommen haben, dass Viktor gegen meinen Willen in die Kabine gekommen ist und ich ihn sofort wieder rausgedrängt habe.«
»Ich nehme nicht an, dass er so genau darauf geachtet hat. Immerhin wusste er da noch nicht einmal, wer du bist. Er war mit seinen Kindern da«, brummt er schon ein wenig ruhiger. »Also wollte Viktor tatsächlich etwas von dir?!«
»Nicht wirklich. Er hat nur viel Unsinn erzählt«, gestehe ich und versichere noch: »Und ich glaube auch nur, um sich an dir zu rächen. Ich bin nicht darauf eingegangen.«
Darauf sagt Kilian nichts mehr. Er sieht mich eine Weile schweigend an. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Ich bin kurz davor noch ein ‚Wirklich‘ hinterher zu schieben, als er sich plötzlich rührt. Seine Arme fallen aus ihrer verkrampften Haltung. Er stößt sich von der Wand ab und geht einmal durchs Zimmer zur gegenüberliegenden Wand, lehnt seine Stirn dagegen und schließt die Augen. Ich lausche, wie er dreimal
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