Vorsicht Nachsicht (German Edition)
kommen, einen von ihnen einzuweihen. Gleiches gilt umgekehrt. Kommilitonen eben. Zweckgemeinschaften. Gerade jetzt zur Lernzeit gibt es auch nicht viel außerhalb der Uni, über das wir reden könnten.
Es würde mich schon interessieren, wie sie reagieren würden, wenn ich ihnen von meinem Erlebnis vom Sonntag erzählen würde. Ich selbst kann immer noch kaum an etwas anderes denken. Dabei ist es jetzt schon drei Tage her. Na ja, sie wären erst einmal sicher verstört. Vielleicht würden sie mir auch nicht glauben. Ich glaube es ja selbst kaum.
Jürgens wurstige Finger fuchteln vor meinem Gesicht herum.
Ich sehe ihn irritiert an. »Was?«
»Ich dachte, du schläfst mit offenen Augen«, erklärt er gutmütig. »Warst du eigentlich wieder beim Friseur?«
»Ja, am Wochenende«, gebe ich überrascht zu.
»Dafür gibst du ziemlich viel Geld aus, oder? Deine Frisur ist immer top«, stellt er fest.
Irritiert ziehe ich eine Augenbraue hoch. »Mein Cousin schneidet sie für mich. Umsonst.«
»Ach so… Hab mich schon gewundert, weil du sonst gar nicht so der Typ bist.«
»Danke«, murmle ich spöttisch.
Er lächelt. »War nicht böse gemeint.«
Inna bringt eine recht plausible Erklärung. »Er arbeitet doch im ‚Moritz‘ . Da muss er sich so herrichten.«
Tatsächlich hat das Café den Ruf, trendig zu sein. Ich sage ihnen nicht, dass meine Frisur schon immer das einzige Zugeständnis an meine Eitelkeit war, eben weil ich meine Haare schon immer gehasst habe.
»Sieht gut aus«, fügt Inna noch wohlerzogen hinzu.
Ich nicke und diesmal meine ich es ernst. »Danke.«
»Ist das der gleiche Cousin, mit dem du am Freitag ins ‚Vía‘ kommst?«, erkundigt sich Marcel neugierig.
»Ja.«
»Ich dachte schon, du hättest so eine riesige Verwandtschaft.«
»Nein. Er ist auch nur mein Cousin zweiten Grades«, gebe ich zu. »Wieso?«
»Na ja, wer trifft sich in unserem Alter überhaupt noch mit seinen Cousins… Meistens hat man doch ganz andere Interessen und es reicht schon, wenn man sie an Familienfeiern ertragen muss«, erklärt Marcel unbedarft.
Ich zucke mit den Schultern. »Wir kommen ganz gut aus. Hast du eine große Verwandtschaft?«
Die eher beiläufige Frage stellt sich als Fehler heraus: Denn nun legt Marcel los und klärt mich über seine ganze Familienbande väterlicher- und mütterlicherseits auf. Zehn Minuten später, weiß ich viel mehr über Marcels Familienleben, als ich jemals wissen wollte. Schweigend kratze ich meinen restlichen Reis zusammen und stehe ich auf, als ich fertig bin.
»Ich muss arbeiten. Bis morgen.«
Kapitel 5
Im Café herrscht reger Betrieb. Es ist noch Mittagszeit. Schnell nehme ich mir die lange Kellnerschürze, um Fiona abzulösen. Eigentlich ist die Schicht perfekt: Markus steht hinter der Theke. Das bedeutet für mich deutlich weniger Arbeit, schnellere Bedienung und zufriedene Gäste. Mit anderen Worten: mehr Trinkgeld.
»Hi«, grüße ich dementsprechend gut gelaunt.
»Hallo«, grüßt er lächelnd zurück. »Na, was geht? Ich hab' gehört, du darfst keine Doppelschichten mehr machen?«
»Ja, der Chef meinte, ich wäre dann nicht mehr effizient genug«, erkläre ich augenrollend. »Und du? Hab’ dich schon lange nicht mehr gesehen.«
»Ich bin immer morgens da. Heute mache ich mal länger«, erklärt er leichthin und schiebt mir einen Kaffee rüber. »Tisch vierzehn. Hat Fiona nicht mehr auf die Reihe gekriegt.«
»Oh Mann«, seufze ich und mache mich auf den Weg. Drehe aber sofort wieder um, als ich sehe, wer da am Tisch sitzt. Verdammt.
»Nanu?«, wundert sich Markus, als ich unverrichteter Dinge zurückkomme.
Ich stelle die Tasse vor ihm ab. Mein Herz rast. Meine Hände sind eiskalt. Von meinen Ohren kann ich das leider nicht behaupten.
»Kannst du das machen?«
»Nein. Wieso? Was ist los?«
»Ich mag den Kunden nicht bedienen. Private Gründe.«
Markus schnalzt ungeduldig mit der Zunge. »Wenn ich die Tasse fallen lasse, geht die Rechnung auf dich, klar?«
»Danke«, brumme ich und suche mir einen anderen Gast, der etwas bestellen möchte. Wie kann Kilian es wagen, hier noch einmal aufzukreuzen? Ist dem denn nichts peinlich? Verdammt.
»Das war ja dein Stammkunde«, stellt Markus fest, als ich eine heiße Schokolade bei ihm bestelle.
Ich schnaufe leise.
Markus grinst sensationslustig. »Was ist passiert? War da was zwischen euch?«
»Kann man so sagen… Kannst du auch das Abrechnen für den Tisch übernehmen?«
»So schlimm ist es doch
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