Vorsicht Nachsicht (German Edition)
dass du auch keinen Freund hast.«
»Ich brauche ja auch keinen. Ich habe meinen Spaß auch so.«
»Habe ich auch.«
»Wann?«
»Sonntag?«
Torben sieht mich mit hochgezogenen Brauen an. »Das war ja wohl mehr ein Unfall.«
Darauf verkneife ich mir eine Antwort. Immerhin ist es wirklich nichts, worauf man stolz sein kann. Ich nehme einen Schluck von dem Cocktail, den sie mir aufgezwungen haben, und falle wieder in mein vorheriges Schweigemuster zurück.
* * *
Beinahe pünktlich stehen wir in der Schlange vor dem ‚Vía‘ an. Meiner Schätzung nach sind die wenigsten der Wartenden tatsächlich homosexuell. Torben und seine Bande dagegen haben sich offensichtlich Mühe gegeben, bei sich selbst keine Zweifel aufkommen zu lassen. Hautenge Shirts aus teils transparentem Stoff und Hosen, die wohl auch kein heterosexueller Mann tragen würde, so knapp wie die geschnitten sind. Außerdem könnte ich schwören, dass sie sich die Augenbrauen gezupft haben und dass Olli Mascara trägt.
Ich passe kein bisschen ins Bild. Zwar ist mein Shirt auch kein Schlabberding und meine Hose keine Baggy-Pants, dennoch wirke ich… normal, auch wenn es mir missfällt, Torben damit als unnormal abzustempeln. Das meine ich auch nicht. Er ist nur ein wenig ausgeflippter. Und ein Blickfang. Ich habe das Gefühl, alle starren uns an.
Als wir das Gebäude dann endlich betreten, bricht erst einmal ein großes ‚Hallo‘ aus. Hier ein Küsschen, da eine Umarmung und den da hinten hat man ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Ich halte mich bewusst im Hintergrund und werde auch kaum wahrgenommen. Hin und wieder trifft mich ein abschätzender Blick. Das ist alles.
Gemächlich sehe ich mich nach meiner Lerngruppe um. Es interessiert mich schon, wen Marcel überredet hat, mitzukommen. Schließlich entdecke ich sie. Marcel, Inna und tatsächlich auch Viktor. Bei ihnen stehen noch zwei weitere Typen und ein junges Mädchen, die ich nicht kenne. Inna hat sich ziemlich kräftig geschminkt. Sieht aber gut aus.
»Hey, ich seile mich mal ab«, informiere ich Torben und ehe der etwas einwenden kann, haben mich die Massen schon verschluckt. Ohne Hast treibe ich auf meine Kommilitonen zu. Sie werden auf mich aufmerksam, ehe ich sie ganz erreicht habe. Fröhlich winkt Inna mir zu. Einer der beiden unbekannten Typen mustert mich daraufhin eifersüchtig: Ihr Freund, nehme ich an. Ich lächle zurückhaltend und stelle mich dann einfach dazu.
»Hi, wie geht’s?«
Die übliche Begrüßung folgt. Ich werde den drei Unbekannten vorgestellt. Das eine ist tatsächlich Innas Freund, Eugen, dann noch ein Russe namens Vitali. Das Mädchen ist Marcels Freundin und heißt Rita. Sie ist nicht unbedingt hübsch, scheint aber nett zu sein. Eher vom ruhigeren Typus. Viktor hat offenbar keine Beziehung, wobei da ja noch Vitali ist. Allerdings bezweifle ich stark, dass ein solcher Zusammenhang zwischen ihnen besteht. Sie stehen zu weit auseinander und wirken eher wie gute Freunde.
»Und? Bist du mit deinem Cousin gekommen?«, will Marcel wissen.
Ich nicke. »Gerade eben. Er steht irgendwo dahinten mit seinen Freunden.« Dabei deute ich vage in die Richtung, aus der ich eben gekommen bin, ohne mich zu vergewissern, ob sie immer noch dort stehen. »Und wie findet ihr die Party so?«
»Ich hab’ bisher kaum ein schwules oder lesbisches Pärchen gesehen«, erklärt Marcel gelangweilt. »Ist irgendwie nicht anders als sonst. Nur die Musik ist scheiße.«
Ich runzle die Stirn und höre zum ersten Mal überhaupt hin. Die Musik ist eigentlich ganz okay. Partymusik zum Tanzen und damit nichts, was Marcel interessiert. Wahrscheinlich steht er eher auf Metal.
Schulterzuckend lasse ich meinen Blick weiter durch den Raum schweifen. Er hat recht: Es ist gerammelt voll, doch auf den ersten Blick sind kaum die Stereotypen des Schwulen und der Lesbe auszumachen. Das Bild wird sich im Laufe der Nacht noch etwas wandeln… Typen, die sich die Shirts ausziehen, Tussen, die sich gegenseitig die Zunge in den Hals schieben. Momentan sind alle noch sehr gesittet. Nur hin und wieder gibt es einen kleinen Paradiesvogel, der heraus sticht.
»Kannst du tanzen, Ruben?«, erkundigt sich Inna plötzlich.
Ich sehe sie überrascht an. »Hm?«
»Keiner der hier Anwesenden traut sich«, erklärt sie enttäuscht und knufft ihren Freund in die Seite.
Der verzieht nur das Gesicht: »Dazu kann man nicht tanzen.«
»Hm«, murmle ich unschlüssig. »Vielleicht
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