Vorsicht Nachsicht (German Edition)
eigentlich einen Mund besitze. Zum Sprechen jedenfalls nicht. Ich bringe keinen Ton heraus. Angestrengt schlucke ich und versuche es einfach.
»Ich…« Nein, das wird nichts. Vielleicht würde es helfen, wenn ich wüsste, was ich sagen soll. Seine Anwesenheit überfordert mich völlig. Ich verstehe auch gar nicht, was er noch von mir will.
Er seufzt schwer. »Oder ist es dir so unangenehm, mir zu begegnen?«
Ich nicke automatisch. Wenig schmeichelhaft, aber das trifft es wohl am besten. Es ist mir verdammt unangenehm. Ich sollte sauer auf ihn sein, immerhin hat er mir Geld für Sex gegeben. Er hat mich wie einen Stricher bezahlt. Aber ich kann nicht sauer auf ihn sein. Eigentlich hat er mich keinen Moment lang wie einen Stricher behandelt. Im Gegenteil, er war die ganze Zeit total nett zu mir. Verständnisvoller als seine Vorgänger und der Sex war wirklich schön. Es kommt mir immer noch so surreal vor. Ich hatte Sex mit ihm. Mit diesem attraktiven Mann vor mir. Wieso ist er eigentlich hier? Müsste er sich nicht zu Hause von der Arbeit erholen?
Kilian verschränkt die Arme vor der Brust und ich spüre seinen abwartenden Blick auf mir. Ich muss etwas sagen. Irgendetwas. Scheiße. Ich kriege keinen Ton raus, wenn ich jetzt den Mund aufmache.
»Alles klar, Ruben?« Plötzlich stellt sich Marcel an meine Seite.
Ich sehe ihn überrascht an. »Ähm… ja.«
Kilian und Marcel mustern sich kritisch. Dann beugt sich Marcel zu meinem Ohr rüber und fragt leise: »Will der Kerl dich etwa anmachen?«
»Das… das ist schon okay«, versichere ich ihm schnell. »Wirklich. Ich kenne ihn… Entschuldige mich mal kurz.«
Wesentlich resoluter, als ich mich fühle, packe ich Kilian am Ärmel und ziehe ihn mit mir in eine ruhigere Ecke. Weit weg von meinen verdutzten Freunden. Ein wenig hilft das auch. Ich bin nicht mehr ganz so nervös. Immer noch befangen, aber… Immerhin bin ich aus meiner Starre erwacht.
Kilian mustert mich eingängig. »Hattest du etwa Angst, dass ich vor deinen Freunden damit herausplatze?«
»Nein…« Eigentlich nicht. Ich atme tief durch und sehe ihn nun doch richtig an. »Aber… es ist mir unangenehm.«
»Hab' ich gemerkt«, stellt Kilian trocken fest. »Aber das muss es doch nicht. Ist ja nicht so, als würde ich dich jetzt für einen Stricher halten. Ich war es schließlich, der deine Situation ausgenutzt hat. Du hast dich mir nicht angeboten.«
»Hm«, murmle ich vage zustimmend. Ich weiß gerade nicht, was ich von ihm halten soll. Er stellt sich ziemlich schlecht dar, aber ich fühle mich dennoch wahnsinnig zu ihm hingezogen. Nach dieser Aussage noch mehr als zuvor. Mein Herz beginnt wieder zu pochen. Es ist nicht so, als würde ich häufig Herzklopfen bekommen. Ich hatte noch nie so schlimmes wie bei Kilian. Das ist nicht gut…
»Du arbeitest heute Abend also nicht«, stellt er jetzt fest.
Ich zucke mit den Schultern. »Darf nur noch eine Schicht pro Tag machen.«
»Fehlt dir dann noch Geld?«
Mir wird ziemlich heiß bei der Frage und ich beschließe, nicht darauf zu antworten. Ich zucke wieder mit den Schultern und weiche seinem Blick aus.
»Du hattest gesagt, du bräuchtest dreihundert Euro«, stellt er in den Raum. »Wenn…« Kilian seufzt schwer. »Also, ich hätte nichts dagegen, wenn wir das von Sonntag noch einmal wiederholen… Natürlich nur, wenn du magst. Ich behalte das auch für mich. Keine Sorge…«
Oh mein Gott! Tschüß Herzklopfen. Hallo Realität. In mir herrscht blanke Fassungslosigkeit. Er will mich noch einmal kaufen? Hallo!? Weiß er nichts Besseres mit seinem Geld anzufangen? Ich bin wohl kaum so gut gewesen! Macht er das etwa aus Mitleid? Scheiße! Auf der anderen Seite würde ich natürlich gerne noch einmal mit ihm Sex haben. Natürlich. Es war toll. Trotz seiner merkwürdigen Anwandlungen ist er toll. Ich will mehr Zeit mit ihm verbringen. Aber nicht unter diesen Umständen! Ich würde mich ja zu Tode schämen!
»Nein«, erkläre ich also und sehe stur auf den Boden. »Ich verkaufe mich nicht noch einmal. Außerdem habe ich das Geld zusammen…«
Letzteres füge ich nur hinzu, damit er sich keine Gedanken machen muss. Jetzt könnte ich ihm natürlich einfach sagen, dass ich trotzdem mit ihm schlafen will. Ohne Geld eben. Aber das traue ich mich nicht. Außerdem kommt es mir so dumm vor. Nach dieser Sache… Dann wird er sich doch wundern, warum er beim ersten Mal gezahlt hat. Hilfe, was soll ich denn dann sagen, wenn er mich das fragt?
»Schade.«
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