Vorsicht Nachsicht (German Edition)
Verhältnis, eher wie Brüder«, stellt Kilian in den Raum.
Ich denke kurz darüber nach. »Eigentlich sind wir eher Freunde. Schon immer. Also vielleicht doch wie Brüder… Ich weiß nicht, ich hatte ja nie wirklich einen.«
»Einen Halbbruder, oder?« Er hat sich das gemerkt. Das gibt mir ein gutes Gefühl.
Ich lächle flüchtig. »Ja, aber der ist über zehn Jahre älter.«
»Stimmt, hattest du erwähnt«, nickt Kilian und stutzt dann. »Moment… zwölf Jahre, oder?«
»Ja«, bestätige ich und dann fällt es mir auch auf. Oh mein Gott, sie müssen gleich alt sein. Jetzt wird mir der Unterschied erst richtig bewusst. Kilian anscheinend auch. Er fährt sich nachdenklich durchs Haar, doch dann zuckt er mit den Schultern und lächelt mich an. »Schmecken die Brötchen?«
Was für ein radikaler Themenwechsel. Ich nicke verdutzt.
»Schön.«
»Danke, übrigens.«
Kilian lächelt. »Schade, dass du lernen musst. Ich hätte dich gerne ausgeführt. Das Buffet bei euch im ‚Moritz‘ ist wirklich spitze.«
»Also… da will ich aber nicht frühstücken, wenn ich frei habe.«
»Hm, okay… Das ist verständlich. Hast du die Woche wieder so viel gearbeitet?«
»Nein, mein Chef hat mich nicht gelassen.«
»Oh, gut. Sonst hätte ich auch an seiner Menschlichkeit gezweifelt.«
»Torben hat mit ihm geredet…« Dass das gegen meinen Willen geschehen ist, ist meiner Stimme anzuhören.
Kilian lacht. »Ach? Dann spielt er häufiger deinen Beschützer? Ist er älter als du?«
»Nur ein halbes Jahr.«
»Ihr seid zusammen aufgewachsen?«
»Ja, bis zur sechsten Klasse waren wir auch auf der gleichen Schule. Nur ist er dann zur Realschule und ich aufs Gymnasium.« Hui, ich rede ja ziemlich viel. Das macht die angenehme Atmosphäre. Ich wüsste gerne mehr über ihn. Nur weiß ich nicht, was ich ihn fragen darf und kann.
»Habt ihr gleichzeitig herausgefunden, dass ihr schwul seid?«, will Kilian wissen.
Ich schüttle den Kopf und will es eigentlich dabei belassen, doch er sieht mich so neugierig an. Ich seufze leise. »Ich weiß nicht, wann ich es herausgefunden habe. Torben ist damit immer lockerer umgegangen als ich. Ich wusste es von ihm, seit er dreizehn ist. Wir hatten da aber nicht mehr so viel Kontakt. Erst als ich mich geoutet habe, sind wir uns wieder näher gekommen. Wann wusstest du, dass du schwul bist?«
»Oh… Spät. Ich habe es bis siebzehn nicht wahrhaben wollen. Habe mich auch erst mit einundzwanzig geoutet, als ich schon ausgezogen war. Vor meinen Eltern noch später. Und du?«
»Mit achtzehn.«
»Du wusstest fünf Jahre, dass dein Cousin auch schwul ist, und bist trotzdem nicht eher zu ihm gegangen?«
»Na ja, wir hatten uns distanziert. Er dachte wohl, ich hätte ein Problem mit seiner Sexualität und ich dachte, nun…« Ich zucke mit den Schultern. »Aber dann hat er mir nach meinem Outing geholfen. Und seitdem steckt er seine Nase immer in meine Angelegenheiten.«
Kilian lächelt wieder und schüttelt den Kopf.
»Was?«
»Ach nichts.« Er grinst jetzt. »Mir ist nur aufgefallen, dass du noch nie so viel gesagt hast wie eben. Ich werte das als gutes Zeichen.«
Verlegen senke ich den Blick und nehme mir ein neues Brötchen. Doch er nimmt es mir aus der Hand und zieht mich zu sich. Behutsam küsst er mich und streicht dann sanft über mein Ohr. Seine Augen sind ganz dicht vor meinen. Beinahe liebevoll sehen sie mich an.
»Du bist wirklich süß…«
Okay, diesmal sind es definitiv nicht nur meine Ohren. Mein ganzes Gesicht fühlt sich heiß an – und nicht nur das. Was macht er nur mit mir?
Kilian grinst amüsiert und küsst mich noch einmal, ehe er sich daran macht, mir wieder das Brötchen aufzuschneiden. »Was magst du lieber: die untere oder die obere Hälfte?«
»Unten.«
Er reicht sie mir und behält die obere bei sich. »Perfekt, ich mag die obere lieber.«
Unsicher lächelnd nehme ich sie an. Er ist definitiv auch süß, wenn er so einen Blödsinn macht. Mich hat noch nie einer derart verwöhnen wollen. Aber beschweren werde ich mich nicht. Ich belege meine Hälfte mit Käse und beiße herzhaft hinein. Dann nehme ich einen Schluck von meinem Kakao. Das Ganze wird zu einer leckeren, matschigen Masse in meinem Mund. Genüsslich kaue ich darauf herum und schlucke schließlich.
Plötzlich werde ich mir der Augen bewusst, die mich dabei unverhohlen angestarrt haben. Mein Herz beginnt wieder zu pochen und ich werde nervös. Aber irgendwie angenehm nervös. Zum Glück fällt
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