Vorsicht Niemandsland
der Deneber die Stufenschaltung erklärt hatte. Prinzipiell war es einfach, nur mußte man es erst einmal wissen.
Taly fand wieder keinen Schlaf. Auch Hannibal warf sich unruhig hin und her. Nur Manzo schlief tief und traumlos. Er behauptete immer noch, es müßte jetzt bald etwas geschehen. Schließlich brauchten auch metabolische Lebewesen eine gewisse Planungs- und Anlaufzeit.
Damit hatte er zweifellos recht, aber es gelang mir kaum noch, meinen logischen Verstand folgerichtig zu gebrauchen. Wenn man in größter Not und Sorge ist, dann brechen unkontrollierbare Gefühle durch. Das entspricht der menschlichen Veranlagung. Manzo dagegen reagierte grundverschieden. Er verlor niemals die Ruhe.
Ich lauschte auf seine tiefen, gleichmäßigen Atemzüge. Es hörte sich wie ein fernes Gewitter an. Mit der Zeit wirkte das Geräusch einschläfernd.
Ich fuhr zusammen, als Hannibal unvermittelt einen deftigen Fluch ausstieß. Er schaute ausgesprochen giftig zu dem Giganten hinüber und sagte erbost:
»Der Kerl schnarcht, als läge er auf Daunen. Wenn ich einige Mikro-Atombomben auf dem Rücken hätte, dann – ah, der Teufel soll’s holen.«
Er warf sich zur Seite und zog sich die Decke über den Kopf.
Anschließend versank ich in einen leichten, unruhigen Schlummer. Mein aufgestörtes Unterbewußtsein gaukelte mir allerlei seltsame Traumgebilde vor, die sich plötzlich in Luft aufzulösen schienen. Ich war wieder hellwach.
Mit angehaltenem Atem lauschte ich. Dann erkannte ich, weshalb ich so jählings aus dem Schlaf gerissen worden war. Manzos grollende Atemzüge waren verstummt. Das war es gewesen.
Ich sah zu ihm hinüber. Er hockte aufgerichtet auf seinem Lager und hörte auf etwas, das mir fremd bleiben mußte. Mein Blick suchte die Zeiger der Spezialuhr. Es war Null Uhr achtundvierzig Marszeit. Der fünfzehnte Tag war angebrochen.
Manzos unterdrücktes Zischen klang dennoch so scharf, daß Hannibal auffuhr.
»Ruhe, größte Ruhe«, wisperte ich. »Etwas stimmt nicht. Nicht die Beherrschung verlieren. Taly, sind Sie wach?«
»Okay«, hauchte sie. »Ich merke aber nichts. Keine Paraimpulse. Was ist denn? Sollte es doch soweit …«
»Ruhe, Sie stören Manzo. Wieder hinlegen und gelassen bleiben. Nur dann sprechen, wenn Sie dazu aufgefordert werden.«
Eine unwirkliche, zermürbende Stille breitete sich aus. Meine Nerven vibrierten im Sturm einer unsagbaren Hoffnung. Sollten unsere letzten Verzweiflungsmaßnahmen gezündet haben? Ich fühlte mein Herz im Halse klopfen.
»Jemand stirbt. Zwei Seelen weinen«, flüsterte der Mutant.
Ich biß mir die Lippen blutig. Das war eine der erschütterndsten Erklärungen gewesen, die ich jemals gehört hatte. Nicht deshalb, weil jemand starb, nein! Aber diese unwirkliche Situation, Manzos monotone Stimme und das unsagbar Fremde, Rätselhafte außerhalb unseres Sehbereiches – es war entsetzlich.
Taly stöhnte unterdrückt. Ich sah, daß sich ihre Hände in die Decke krallten.
»Vorsicht, jemand kommt«, warnte der Mutant. »Harte Schwingungen, sehr stark. Die Impulse sind nichtmenschlich. Sie sind die reine Gewalt. Jemand ist vor der Tür.«
Dann schwieg der Mutant und legte sich langsam zurück. Wir hörten das Zischen der äußeren Hermetiktür, ein Kratzen am Material des Innenschotts.
»Nur ich spreche!« flüsterte ich. »Nicht überraschen lassen.«
Sie hörten darauf. Wenn wir fünfzehn Tage gebebt und uns gegenseitig zermürbt hatten, so war jetzt jener Augenblick gekommen, auf den es einfach keine Vorbereitung geben konnte. Er war plötzlich da!
Etwas Neues war unverhofft vorhanden, und es galt, die Nerven zu behalten. Unsere
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