Vorsicht Niemandsland
Wissenschaftler hatten für solche Momente den Ausdruck »Improvisations-Psychologie« geprägt. Alles konnte vom richtigen Verhalten abhängen. Ich wußte nicht, wer da kam. Es konnte harmlos sein.
Mein wildes Herzklopfen mäßigte sich, als sich das Innenschott zurückschob. Die Außentür war wieder geschlossen. So hoben sich die Gestalten kaum vom dunklen Hintergrund ab. Ich vernahm aber das zarte Pfeifen einiger Luftverdichter. Draußen im Gang herrschte nur der normale Außendruck. Unsere Zelle lag am äußersten Ende des von uns besetzten Festungsteils.
Im gedämpften Licht der Zelle konnte ich das hellere Funkeln von Waffen erkennen. Niemand der Eingetretenen sprach einen Ton.
Ich wußte nicht, ob mir mein klares Bewußtsein die Worte auf die Zunge legte. Es war wohl mehr eine instinktive Reaktion. Ich glaubte richtig zu handeln.
»Treten Sie nur näher«, sagte ich sehr leise. »Wir tun Ihnen nichts. Ich habe Sie gehört. Wer sind Sie?«
Manzo richtete sich langsam auf. Ich schlug die Decke zurück. Ein Mann trat aus dem tiefen Schatten der kleinen Luftschleuse. Ich hätte mich fast verraten, als ich meinen beeinflußten Kollegen erkannte, der hier als Major Needle fungierte.
Er hatte seine Atemmaske abgenommen. Unter dem vorschriftsmäßigen Helm bemerkte ich seine leeren Augen und das erstarrte Gesicht. Er war nicht Herr seiner selbst. Er war nicht mehr als ein williges Ausführungsorgan für fremde Interessen.
Seine Waffe drohte. Dennoch wurde sie nur indirekt von seiner Hand gehalten. Auch Needles Stimme hatte sich verändert. Andere sprachen durch seinen Mund, hörten durch seine Ohren und sahen mit seinen Augen. Ich wußte, daß ich nicht mit Needle verhandelte, obwohl er sichtbar vor mir stand.
Ich gewann meine Ruhe zurück. Endlich war etwas geschehen, das mir Selbstbeherrschung und klare Überlegung zurückgab. Der Instinkt des aktiven GWA-Agenten kam zum Zug.
Als Needle noch immer nicht sprach, sondern in starrer Haltung verharrte, begann ich das risikoreiche Verzweiflungsspiel. Ich warf in jäher Ahnung sämtliche Planungen über den Haufen! Ich tat etwas, was wir durchaus nicht vorgesehen hatten.
Hannibal hielt die Luft an. Taly schaute mich mit schlecht verhehltem Entsetzen an. Sie zweifelte wahrscheinlich an meinem Verstand.
Ich beging praktisch einen Verrat an unserer Sache, indem ich unsere sorgfältig gehüteten Geheimnisse indirekt offenbarte. Allerdings hatte ich dabei einige starke Trümpfe in Rückhand. Ich vertraute auf die Logik der Unbekannten. Leise sagte ich:
»Es wird Zeit, daß Sie kommen. Wie lange sollten wir noch warten? Haben Sie die beiden Wächter ausgeschaltet?«
Needles blicklose Augen schienen plötzlich zu brennen. Drei weitere Männer in den Uniformen des Marskommandos traten näher. Ich hörte das scharfe Klicken der Waffensicherungen. Der Einsatz hing jetzt an einem dünnen Faden.
»Was wollen Sie damit sagen?« entgegnete Needle heftig.
Es war erschütternd zu sehen, daß diese von rascher Reaktion zeugenden Worte aus einem leeren, totenähnlich klaffenden Mund kamen. Ich sprach mit den Venusiern.
Ich rettete mich in ein kühles Lächeln. Meine Haltung verriet Arroganz, Herrschsucht. Meine Deneberrolle gelang mir, das fühlte ich.
»Sie sollten meine geistigen Eigenschaften nicht mit denen eines menschlichen Primitivlings verwechseln. Ich weiß, daß ich nicht mit der vor mir stehenden Kreatur spreche, sondern mit den Intelligenzen, die von uns zum Zeitpunkt des Großen Krieges geschult wurden. Sorgen Sie endlich dafür, daß wir aus der Gewalt der menschlichen Lebewesen befreit werden. Wie lange wollen Sie
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