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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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ziemlich nervös und sehen in Orrin einen potenziellen Augenzeugen, jetzt wo sein Name und seine Vita in der Datenbank sind. Sie ahnen, worauf ich hinauswill?«
    Sie nickte langsam. »Sein psychischer Zustand.«
    »Genau. Wenn ihn die State Care aufnimmt, ist das so viel wie eine offizielle Erklärung seiner Unzurechnungsfähigkeit. Jede Zeugenaussage wäre damit kompromittiert.«
    »Und das ist der Punkt, an dem ich ins Spiel komme.« Sandra nippte an ihrem Bier. Sie trank selten Bier – sie fand, es schmeckte wie alte Socken –, aber es war herrlich kühl und sie begrüßte den leichten Schwips, den es hervorrief. »Nur dass ich Orrins Fall abgeben musste. Ich kann ihm nicht mehr helfen.«
    »Das erwarte ich auch nicht. Ich hätte Sie lieber nicht eingeweiht, aber wie Sie sagten: quid pro quo. Und ich will nach wie vor wissen, was Sie von Orrins Texten halten.«
    »Sie denken, es handelt sich dabei also um eine Art verklausulierte Aussage?«
    »Ich habe nicht den leisesten Schimmer, worum es sich dabei handelt. Immerhin wird das Lagerhaus erwähnt.«
    »Wirklich?«
    »In einem Teil, den Sie noch nicht kennen. Nichts, womit man vor Gericht gehen könnte. Ich bin nur …« Er suchte nach dem richtigen Wort. »… von Berufs wegen neugierig.«
    Das kann man wohl sagen, dachte Sandra, aber das alles ist nicht mal ein Bruchteil der Wahrheit. »Ich habe Sie beobachtet, Bose, als Sie Orrin gebracht haben. Und wissen Sie, was ich glaube? Orrin ist Ihnen in Wirklichkeit scheißegal. Als Mensch, meine ich.«
    »Hm. Als ich mit ihm zur State Care kam, da kannte ich ihn schon ein wenig. Ich fand einfach, dass man ihm übel mitgespielt hat. Er ist … naja, Sie wissen ja, wie er ist.«
    »Verletzlich. Einfältig.« Aber viele Leute, mit denen sich Sandra befasste, waren verletzlich und einfältig – das waren Allgemeinplätze. »Und einnehmend. Auf gespenstische Weise einnehmend.«
    Bose nickte. »Wie seine Schwester gesagt hat: als ob ein Wind durch ihn hindurchbläst. Ich bin mir nicht sicher, wie sie das genau gemeint hat, aber es hört sich richtig an.«
    Sandra hätte nicht sagen können, an welchem Punkt der Unterhaltung sie sich entschieden hatte, über Nacht zu bleiben. Vermutlich gab es diesen Punkt gar nicht, vermutlich funktionierte es anders. In ihrer ziemlich begrenzten Erfahrung war Intimität ein langsames Hinübergleiten, das nicht mit Worten inszeniert wurde, sondern mit Gesten: Augenkontakt, die erste Berührung (als sie ihm die Hand auf den Arm legte, um ihren Worten Gewicht zu verleihen), die Selbstverständlichkeit, mit der er sich neben sie setzte, Oberschenkel an Oberschenkel, als würden sie sich bereits eine halbe Ewigkeit kennen. Merkwürdig, dachte sie, wie unausweichlich es schien, dass sie mit ihm schlafen würde. Es gab keine Verlegenheiten des »ersten Mals«. Er war so sanft im Bett, wie sie sich das vorgestellt hatte.
    Sie schlief neben ihm ein, eine Hand auf seiner Hüfte, und bemerkte es nicht, als er sich von ihr löste und aufstand. Doch sie war halb wach, als er aus dem Bad zurückkam und einen Moment lang vom bernsteinfarbenen Licht der Stadt erfasst wurde, das durchs Fenster fiel. Und sie sah die Narbe, die ihre Fingerspitzen bereits erfühlt hatten: ein bleicher Pfad, der unter dem Nabel begann und sich über den Brustkorb bis zur rechten Schulter schlängelte.
    Sie hätte ihn zu gerne danach gefragt, doch als er ihren Blick bemerkte, wandte er sich hastig ab, und kurz darauf schlief sie wieder ein.
    Am Morgen machte er French Toast und Kaffee für ein schnelles Frühstück. Er gab Butter in die Pfanne, schlug Eier auf – alles mit einer Zuversicht und Ruhe, die anzusehen für Sandra eine wahre Freude war.
    Irgendwann in der Nacht war ihr ein Gedanke gekommen. »Du arbeitest nicht für das HPD«, sagte sie. »Und auch nicht für die Bundesbehörden. Aber du bist auch nicht allein in der Sache. Da ist jemand, für den du arbeitest, richtig?«
    »Jeder arbeitet für irgendjemanden.«
    »Eine NGO? Eine gemeinnützige Organisation? Ein Detektivbüro?«
    »Ich denke, wir sollten darüber reden.«

8
    ALLISON
    1.
    Nachdem der Transit geschafft war, steckten uns die Manager in zwei medizinische Versorgungsanzüge und ließen uns fast zwei Tage lang schlafen. Immer wenn ich die Augen aufschlug, schwebten die Gesichter von Schwestern oder Pflegern über mir, und immer wieder erkundigte ich mich nach Turk. Sie sagten, es gehe ihm gut und ich könne bald mit ihm reden. Mehr sagten sie

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