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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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zusammen, auch wenn wir seit Wochen keinen Sex mehr gehabt hatten. Unsere unbeherrschten Momente waren die riskantesten – weiß der Himmel, welche voreiligen Schlüsse das Netzwerk aus unseren Liebeslauten ziehen könnte. Das Skript, das wir für uns geschrieben hatten, war plausibler ohne leidenschaftliche Zwischenspiele.
    Aber ich vermisste sie – und nicht nur körperlich. In dieser Nacht wachte ich auf und hörte sie einen Mischmasch aus englischen und voxischen Worten murmeln. Sie träumte, ihre Lider zuckten, ihr Gesicht war nass von Tränen, und als ich ihre Wange berührte, stöhnte sie leise und drehte sich auf die andere Seite.
    2.
    Am Tag vor dem geplanten Start der Expedition besuchte ich Isaac Dvali in seinem Krankenzimmer. Oscar bestand darauf mitzukommen. »Ihre Gegenwart hat immer eine messbare Wirkung auf ihn«, erklärte er mir. »Sein Puls schlägt schneller, wenn Sie bei ihm sind. Die elektrische Aktivität in seinem Gehirn nimmt zu und wirkt kohärenter.«
    »Vielleicht hat er einfach nur gerne Gesellschaft.«
    »Niemand sonst hat diese Wirkung auf ihn.«
    »Vielleicht erkennt er mich wieder.«
    »Ganz bestimmt. Auf irgendeine Art und Weise.«
    Isaac hatte große Fortschritte gemacht, und so waren die lebenserhaltenden Apparaturen nach und nach entfernt worden. Außer Hörweite hielt sich immer noch ein Schwarm von Ärzten und Schwestern auf, doch er beachtete sie nicht, sondern sah mich direkt an.
    Das konnte er inzwischen. Die Rekonstruktion von Kopf und Körper war fast abgeschlossen. Das Fleisch auf der linken Schädelseite war noch durchscheinend, und als er den Mund öffnete, bewegte sich das Kiefergelenk wie eine Krabbe in einem milchigen Gezeitentümpel, aber das neue linke Auge hatte seine blutunterlaufene Trübung verloren und arbeitete mit dem anderen zusammen.
    Ich machte einen Schritt auf den Stuhl zu, in dem er saß. »Hey, Isaac«, sagte ich.
    Hinter einem Schleier aus Kapillargefäßen tanzte sein Kiefer den Krabbentanz. »Tu…«, brachte er heraus. »Tu… Tu…«
    »Ja, ich bin es. Turk.«
    »Turk!«, schrie er fast.
    Eine Ärztin flüsterte Oscar etwas zu. Er übersetzte: »Seine Motorik ist schon viel besser, aber die Impulskontrolle lässt noch zu wünschen übrig …«
    »Halt den Mund!«, kreischte Isaac.
    Der Junge war so etwas wie ein »Aufgenommener Halbhypothetischer«, was ihn fast zu einem lebenden Gott machte. Armer Oscar! Wie mochte es sein, mit einer unbeherrschten Gottheit gestraft zu sein?
    »Hey, hier bin ich«, sagte ich. »Direkt vor dir, Isaac.«
    Doch das bisschen Sprechen war schon zu viel gewesen. Seine Lider senkten sich wieder. Die Arme zitterten gegen die Gurte an.
    Ich sah zu Oscar. »Muss er denn unbedingt gefesselt sein?«
    Ein weiterer Wortwechsel mit den Ärzten, dann erwiderte er: »Ich fürchte, ja. Zu seiner eigenen Sicherheit. An diesem Punkt seiner Genesung könnte er sich selbst gefährden.«
    »Was dagegen, wenn ich noch bleibe?«
    Ich hatte die Frage an Isaac gerichtet, aber es war Oscar, der mir einen Stuhl holte. Als ich mich setzte, schweifte Isaacs Blick nervös ab, um mich gleich wiederzufinden. Schwer zu sagen, ob es Angst oder Erleichterung war, die über das bleiche Gesicht huschte.
    »Du musst nicht sprechen«, erklärte ich ihm. Er zitterte gegen die Gurte an.
    »Er reagiert positiv auf Ihre Stimme«, sagte einer der Ärzte.
    Also legte ich los. Eine knappe Stunde redete ich mit Isaac, wobei ich seine gelegentlichen Grunzlaute als Ermutigung betrachtete. Weil ich mir nicht sicher war, was er über Vox oder unseren »Zeitsprung« wusste, redete ich genau darüber: Wie uns der temporale Bogen in der äquatorianischen Wüste aufgegriffen und wie es uns nach zehntausend Jahren nach Vox verschlagen hatte. Wir seien wieder auf der Erde, sagte ich ihm, und Vox habe hier etwas Wichtiges zu erledigen, aber die Erde sei nicht mehr dieselbe …
    Ich konnte mich nicht des Eindrucks erwehren, dass es Oscar lieber gewesen wäre, ich hätte den Mund gehalten. Vielleicht hatte er gehofft, Isaac auf seine Weise und mit seinen Worten einzuführen. Doch die Ärzte waren von Isaacs Reaktionen angetan und Oscar wollte den Jungen nicht wieder provozieren.
    Schließlich war es Isaac, der den Besuch beendete. Sein Blick ging erneut auf Wanderschaft, und seine Lider wurden schwer. Ich nahm das als Fingerzeig. »Du brauchst jetzt Ruhe«, sagte ich. »Ich bin für eine Weile fort, aber ich komme wieder, versprochen.«
    Ich stand auf. Im selben

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