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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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hatte ich keine Eile, ihm Latisha vorzustellen, die nun mal schwarz war. Ich war schon bei ihrer Familie zu Besuch gewesen. Ihr Vater war Apotheker; ihre Mutter war vor zwanzig Jahren aus der Dominikanischen Republik nach Houston gezogen und arbeitete bei Walmart. Sie waren mir mit vorsichtiger, aber aufrichtiger Herzlichkeit begegnet.
    Ich folgte der alten Trasse, bis ich vor den Verladerampen meines Vaters stand. Auch wenn ich zu dieser Uhrzeit mit niemandem rechnete, kauerte ich mich erst mal in eine dunkle Nische zwischen zwei gedrungenen Betonpfeilern. Das Lagerhaus war abgeschlossen. Zwar gab es manchmal außerplanmäßige Geschäfte, um die sich mein Vater kümmern musste, doch heute war er zum Abendessen zu Hause gewesen und saß jetzt vermutlich auf dem Sofa, hatte einen Drink in der Hand und sah schlecht gelaunt einen 24-Stunden-Nachrichten-Kanal. Es schüttete ohne Ende, und ich war nass bis auf die Haut. Und ich fror, obwohl es am Tag brütend heiß gewesen war – der Regen kam offenbar aus höheren, kälteren Regionen. Eine halbe Stunde lang wartete ich und ließ das Lagerhaus nicht aus den Augen. Aus früheren Erkundungsgängen hatte ich messerscharf geschlossen, dass hier nach Mitternacht niemand mehr war – bis auf den Nachtwächter, einen ausgemergelten Herumtreiber, den mein Vater irgendwo in der Stadt aufgegabelt hatte. Indem ich die Fenster beobachtet hatte, hatte ich sogar seine festen Gewohnheiten ermittelt: Er machte jede Stunde einen fünfzehnminütigen Rundgang durch das gesamte Lagerhaus und verbrachte den Rest der Zeit in einem Kabuff mit einem drahtverstärkten Mattglasfenster. Das Flackern dahinter ließ auf einen Videomonitor schließen.
    Ich hatte gewusst, dass mein Vater ein Problem sein würde, aber es war mir ernst mit Latisha. Wir hatten schon übers Heiraten gesprochen. Und übers »Durchbrennen«. Über ein Arrangement, das meinen Vater so lange außen vor ließ, bis er nichts mehr daran ändern konnte. Nicht dass wir uns auf ein bestimmtes Datum festgelegt hätten, denn Latisha hatte ein Recht auf die bestmögliche Ausbildung. Aber wir waren entschlossen. Dachte ich zumindest.
    So fest entschlossen, dass ich mich am Küchentisch meiner Mutter anvertraut hatte. Sie hatte zugehört, sich dann zurückgelehnt und gesagt: »Ich weiß nicht mehr, was richtig oder falsch ist, wenn ich es denn jemals gewusst habe. Aber wenn du das vorhast, ist es das Beste, du ziehst aus.« Und dann hatte sie gesagt: »Ich möchte Latisha eines Tages kennenlernen. Wenn das irgendwie möglich ist. Bis dahin erfährt dein Vater nichts von mir.«
    Sie meinte das ernst. Doch im Laufe des Sommers musste trotzdem irgendetwas seinen Verdacht erregt haben: eine ungelöschte E-Mail, ein Telefonat, das er mitangehört hatte … Mich hat er nicht gefragt, aber meine Mutter – und sie muss schwach geworden sein und ihm alles erzählt haben.
    Mein Vater war ein Mann der Tat. Ich hatte keine Ahnung, dass er etwas unternommen hatte, bis meine Anrufe und E-Mails nur noch auf taube Ohren stießen. Ich ging zu ihr nach Hause, aber ihre Eltern wollten nicht, dass ich mit ihr redete; sie hätte sich entschieden, die Beziehung zu mir zu beenden. Nun, vielleicht war es so, aber ich wollte es aus ihrem Mund hören. Ich behielt das Haus im Auge, doch Latisha blieb so gut wie unsichtbar, abgesehen von ein paar Spaziergängen, die sie in Begleitung ihrer Mutter machte.
    Über eine Bekannte von ihr ließ ich ihr eine Nachricht mit meiner neuen IP-Adresse zukommen (ich hatte sie heimlich geändert). In der darauf folgenden Nacht wartete ich auf eine Antwort. Sie kam. Und sie war unmissverständlich.
    Tut mir leid, turk. dein vater und mein vater haben geredet. dein vater hat gesagt: wenn er mein college zahlt, dann sollen wir schluss machen. scheiß geschäft, aber meine eltern bestehen darauf, einzige chance für gute schule & so, nicht gerade stolz einen fanatiker zu melken usw. fahrt zur hölle, würd ich sagen, aber was für ein leben sollen wir haben pleite und jung & wenn ich dich auch liebe – wann werden wir uns hassen für das, was uns die liebe kostet? nur ich bin schuld. ich weiß, ich habe eine wahl & ich mache bestimmt das falsche, aber es ist mein leben & ich muss an die zukunft denken. ich weine jetzt, bitte schreib nicht mehr.
    Es war dieser dreckige Ziegelbau, der unser Haus, unseren Pool, meine Klamotten und die Zerstörung meines Glücks finanzierte. Dieses Lagerhaus und die fragwürdigen Geschäfte, die mein

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