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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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später eine Standpauke halten würde. „Schon gut!“ brummte ich unwillig. „Ich bin um fünf Uhr da.“
    „Danke“, meinte Sam. „Ich wußte doch, daß ich mich auf dich verlassen kann.“
    Ich versuchte ja, mich über dieses Lob zu freuen, aber ich konnte mir nicht helfen: Mir schien die Tugend, für die ich da gelobt wurde, eine langweilige zu sein. Klar konnte man sich darauf verlassen, daß Sookie einsprang und half, denn sie hatte ja sonst nichts vor in ihrem Leben.
    Auch nach neun Uhr würde ich noch prima bei Bill vorbeischauen können, das war nicht die Frage. Er würde ja ohnehin die ganze Nacht wach sein.
    Nie war auf der Arbeit die Zeit so langsam vergangen. Ich hatte Probleme damit, ständig meinen Schutzwall aufrecht zu erhalten, weil meine Gedanken immer wieder zu Bill abschweiften. Zum Glück war nicht viel Kundschaft da, sonst hätte ich haufenweise unerwünschte Gedanken zu hören bekommen. So wie die Dinge standen, erfuhr ich, daß Arlenes Regel ausgeblieben war und sie befürchtete, schwanger zu sein, und ehe ich mich zusammenreißen konnte, hatte ich meine Kollegin auch schon liebevoll in den Arm genommen. Sie sah mich prüfend an und wurde dann knallrot.
    „Hast du meine Gedanken gelesen, Sookie?“ fragte sie, und in ihrer Stimme lag ein eindeutig warnender Unterton. Arlene gehörte zu den wenigen Menschen, die meine Fähigkeiten einfach zur Kenntnis genommen hatten, ohne zu versuchen, eine Erklärung dafür zu finden oder mich als Mißgeburt abzustempeln. Allerdings sprach sie nicht oft über meine Gabe, und wenn, so hatte ich festgestellt, dann nie in einem normalen Tonfall.
    „Es tut mir so leid! Ich wollte es nicht“, beteuerte ich. „Ich kann mich nur heute einfach nicht konzentrieren.“
    „Okay. Aber von jetzt an hältst du dich raus!“ Mit diesen Worten fuchtelte Arlene mir mit dem Zeigefinger vor der Nase herum, während ihre roten Locken im Takt dazu ihren Kopf umtanzten.
    Ich wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. „Es tut mir so leid!“ wiederholte ich, und dann verkroch ich mich im Lager, um wieder richtig zu mir zu kommen. Ich wollte versuchen, meine Gesichtszüge wieder in die gewohnte Ordnung zu bringen, und mußte auf jeden Fall verhindern, daß meine Tränen ungehemmt flossen.
    Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, als ich auch schon hörte, wie sie wieder aufging.
    „Arlene! Ich habe nun schon zweimal gesagt, wie leid es mir tut!“ fauchte ich, denn ich wollte allein sein.
    Arlene verwechselte nämlich manchmal Telepathie mit Hellsehen, und ich befürchtete, sie würde mich fragen wollen, ob das mit der Schwangerschaft stimmte. In der Frage war sie aber mit einem Schwangerschaftstest aus der Apotheke wesentlich besser bedient.
    „Sookie?“ Nicht Arlene war mir in den Lagerraum gefolgt, sondern Sam. Er legte mir die Hand auf die Schultern, drehte mich zu sich um und fragte: „Was ist?“
    Er fragte das ganz sanft, was mich den Tränen nur noch näher brachte.
    „Bitte sei fies zu mir, sonst heule ich los!“ bat ich ihn.
    Er lachte, kein lautes Lachen, ein ganz kleines, leises. Dann nahm er mich in den Arm.
    „Was ist los?“ Er würde nicht aufgeben und gehen.
    „Ach, ich ...“ Weiter kam ich nicht, dann biß ich mir auf die Zunge. Ich hatte mein Problem (denn als solches sah ich das, was Bill meine Gabe genannt hatte) nie offen mit Sam oder jemand anderem besprochen. Jeder in Bon Temps war mit den Gerüchten vertraut, die über mich in Umlauf waren, meinte zu wissen, warum ich so merkwürdig wirkte. Niemandem jedoch schien wirklich bewußt zu sein, daß ich ihrem geistigen Geplapper tagaus, tagein ausgesetzt war, ob ich das nun wollte oder nicht, daß ich gezwungen war, mit einer ewigen Geräuschkulisse aus Bla-bla-bla zu leben.
    „Hast du irgend etwas gehört, was dir Kummer macht?“ Sams Stimme klang ruhig, und die Frage kam beiläufig. Er berührte sanft meine Stirn und gab mir so zu verstehen, daß er durchaus wußte, daß ich 'hören' konnte. „Ja.“
    „Kannst das gar nicht verhindern, oder?“
    „Nein.“
    „Und es nervt dich, nicht, Schatz?“
    „Und wie!“
    „Aber es ist doch nicht deine Schuld, oder?“
    „Ich versuche ja, nicht zuzuhören, aber ich kann einfach nicht ständig auf der Hut sein.“ Ich spürte, wie eine Träne, die ich nicht hatte zurückhalten können, mir über die Wange kullerte.
    „Du bist also auf der Hut, Sookie, so machst du das? Wie schaffst du es, auf der Hut zu sein?“
    Sam klang ehrlich

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