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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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zum Ausbruch gekommen war, hatte keine Auswirkungen auf sich nährende Vampire. Das galt auch für andere Geschlechtskrankheiten und generell für alle Viren, von denen Menschen geplagt werden können.
    Die Ausnahme von all diesen Regeln hieß Sino-AIDS. Menschen starben unweigerlich an diesem Virus, Vampire nicht. Der Genuß infizierten Blutes führte aber dazu, daß die betreffenden Untoten mindestens einen Monat lang sehr geschwächt waren und in dieser Zeit wesentlich leichter gefangen und gepfählt werden konnten. Es kam auch vor, daß ein Vampir, der sich wiederholt von infiziertem Blut genährt hatte, starb - oder sollte ich lieber sagen: erneut starb - ohne gepfählt worden zu sein. Noch war Sino-AIDS in den USA recht selten, aber die Krankheit fing gerade an Fuß zu fassen, besonders in Hafenstädten wie New Orleans, in denen Seeleute aus vielen verschiedenen Ländern und andere Reisende in Feierlaune sich vorübergehend aufhielten.
    Alle Vampire standen wie angewurzelt da und starrten Jerry an, als sei er der leibhaftige Tod, und für sie konnte er das ja auch durchaus sein.
    Dann tat der wunderschöne junge Mann etwas, was mich völlig unvorbereitet traf: Er stürzte sich auf mich. Auch wenn er kein Vampir war, verfügte er doch über ziemliche Kräfte, und seine Krankheit befand sich augenscheinlich erst im ersten Stadium. Jedenfalls gelang es ihm problemlos, mich gegen die Wand zu meiner Linken zu schleudern. Dann umklammerte er mit der einen Hand meinen Hals und holte mit der anderen aus, um mir einen Schlag zu versetzen. Abwehrend hob ich die Arme, aber ich hatte sie noch nicht vor dem Gesicht, da wurde Jerrys Hand auch schon gepackt, woraufhin der junge Mann erstarrte.
    „Laß ihren Hals los“, sagte Bill, und seine Stimme klang so drohend, daß selbst ich mich fürchtete. Mittlerweile gab es hier so viele Dinge, vor denen ich mich fürchtete, daß ich mir schon gar nicht mehr vorstellen konnte, je wieder angstfrei zu sein. Jerrys Finger an meinem Hals ließen nicht locker, und ohne es zu wollen stieß ich ein leises Wimmern aus. Ich schielte zur Seite in Jerrys aschfahles Gesicht, und da sah ich, daß Bill Jerrys Hand umklammert hielt, während Malcolm seine Beine gepackt hatte, indes der Mann selbst so verängstigt war, daß er gar nicht mehr begriff, was man von ihm wollte.
    Der Raum verschwamm vor meinen Augen, und summende Stimmen erklangen und verklangen wieder. Jerrys Gedanken kämpften gegen meine. Ich war hilflos, weshalb ich mich seinem verzweifelten Denken gegenüber nicht verschließen konnte. So drangen Bilder von Jerrys Geliebtem auf mich ein, der ihn mit dem Virus infiziert und dann eines Vampirs wegen verlassen hatte, weswegen er letztlich von Jerry in einem Anfall rasender Eifersucht umgebracht worden war. Nun mußte Jerry erkennen, wie in den Vampiren, die er doch eigentlich hatte vernichten wollen, der Tod auf ihn zukam. Noch fand er seine Rachegelüste nicht befriedigt, denn er glaubte nicht, daß er schon genügend Vampire mit dem Virus infiziert hatte.
    Über Jerrys Schulter hinweg konnte ich Dianes Gesicht sehen; sie lächelte.
    Bill brach Jerry das Handgelenk.
    Da schrie der schöne junge Mann auf und brach zusammen. Mir schoß das Blut zurück in den Kopf, und ich wäre um ein Haar in Ohnmacht gefallen. Beiläufig, als sei der junge Mann ein leichter, zusammengerollter Teppich, hob Malcolm Jerry auf und trug ihn zum Sofa. Was nicht beiläufig wirkte, war Malcolms Miene. Ich wußte, Jerry konnte von Glück sagen, wenn ihn ein rascher Tod ereilte.
    Bill stellte sich vor mich, dorthin, wo noch vor ein paar Sekunden Jerry gestanden hatte. Seine Finger, die Finger, die Jerrys Handgelenk gebrochen hatten, massierten meinen Nacken so sanft, wie es die Finger meiner Oma getan hätten. Er legte mir einen Finger auf die Lippen, um sicherzustellen, daß ich jetzt auch bestimmt nichts sagen würde.
    Dann wandte er sich, den Arm um mich gelegt, wieder den anderen Vampiren zu.
    „Das war ja nun alles recht unterhaltsam“, sagte Liam. Seine Stimme klang unglaublich kühl, unbeteiligt und ganz und gar nicht so, als verpasse ihm Janella auf der Couch gerade eine ungeheuer intime Massage. Während des gesamten Zwischenfalls hatte er sich nicht die Mühe gemacht, einen Finger zu rühren. Gerade bekamen wir alle zu sehen, daß sein Körper auch an Stellen, an denen ich es nie für möglich gehalten hätte, Tätowierungen aufwies, und mir war nicht zuletzt von diesem Anblick gründlich

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